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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
Autoren: Christian Ewers
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Jahre alt und seit Sommer 2008 in Paris. »Ein Junge für die erste Liga«, schwärmt Chilacha. »Explosiv, schnell, starkes Dribbling, der wird seinen Weg machen. Todsicher, tausendprozentig.«
    Assio’o ist in Tokombéré aufgewachsen, im Norden Kameruns. Er gehörte zur U16-Auswahl seines Landes, und als er mit seiner Mannschaft zu einem Nachwuchsturnier nach Frankreich reiste vor zwei Jahren, setzte er sich ab, zusammen mit seinem Mitspieler Fotso Arnaud. Die Flucht war geplant, sie hatten Helfer, aber darüber schweigt Robert. Er wohnt jetzt im Foyer Educatif Amandiers-Belleville, einem Jugendheim im 20. Arrondissement.
    Robert will hier nicht lange bleiben, keine Poster an der Wand, keine Fotos, keine Postkarten. Seine Sachen lagern in Taschen und Koffern, er könnte innerhalb von zehn Minuten ausziehen.
    Unten, vor der Tür, wartet Chilacha in seinem Auto, heute ist der große Tag für Robert und Fotso gekommen. Probetraining bei Paris St. Germain. »Ihr werdet es packen, kein Zweifel«, sagt Chilacha und lässt den Motor an, »die PSG-Jungs sind viel zu weich, ihr müsst denen nur ordentlich auf die Knochen geben.«

    Robert Assio’o (li.) mit Trainer Abel Chijou Chilacha
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    Chilacha braucht fast zwei Stunden, um zum Gelände von St. Germain zu kommen, er muss immer wieder anhalten und nach dem Weg fragen. Als er endlich da ist, kann er nirgendwo parken. Überall Halteverbote, reservierte Parkplätze, Zäune, Überwachungskameras. Chilacha stellt sich mit einem Reifen auf den Bürgersteig und schaltet die Warnblinkanlage an. Er fragt den Pförtner, wo der Jugendcoach sein Büro hat, er will direkt durchmarschieren, aber der Pförtner lässt den Schlagbaum unten. Er ruft nur eine Nummer durch das geschlossene Fenster.
    Es ist die Nummer der Telefonzentrale.
    Hinten auf der Rückbank sitzen Robert und Fotso, noch immer angeschnallt, sie sagen keinen Ton. Chilacha wählt die Nummer von PSG. »Guten Tag, ich rufe an im Auftrag von Rigobert Song. Bitte geben Sie mir den Chef der Jugendabteilung!«
    Chilacha wird weiterverbunden. Niemand nimmt ab.
    Nächster Versuch. Chilacha meldet sich jetzt sofort mit »Rigobert
Song«, dem Namen des kamerunischen Rekordnationalspielers und ehemaligen Kapitäns der lions indomptables , der »unzähmbaren Löwen«. Diesmal landet Chilacha im Fanshop.
    Nächster Versuch. »Ja, Rigobert Song hier, hören Sie, wissen Sie überhaupt, mit wem Sie hier...« Es knackt in der Leitung, dann läuft die automatische Ansage der Tickethotline: »Es sind noch Karten in allen Kategorien zu haben für das Heimspiel gegen Nizza.«
    Chilacha legt die Stirn aufs Lenkrad und zischt einen Fluch.
    Robert und Fotso steigen aus, sie gehen quer über die Straße zum Stade Georges Lefèbvre. Dort wird Fußball gespielt, auf zwei Plätzen. Es ist die Rugby-Mannschaft von PSG, die sich aufwärmt fürs Training. Robert lehnt sich an den Zaun, die Hände in den Hosentaschen. Er lächelt, wenn man mit ihm spricht, sobald aber das Gespräch zu Ende ist, fällt dieses Lächeln in sich zusammen. Er hat die weichen Züge eines Kindes, aber schon den harten Blick eines Mannes.
    Robert sagt, er vertraue Chilacha. »Er hat die Verbindungen, er wird einen großen Klub finden für mich. Ich werde es schaffen in Europa. Er hat mir sein Wort gegeben.«
    Jean-Claude Mbvoumin spricht von »zwei Wellen der Enttäuschung«, die über die afrikanischen Fußballer in Europa zusammenbrechen würden. Mbvoumin ist Gründer des Hilfsprojekts Footsolidaire, das sich um in Not geratene Spieler aus Afrika kümmert. Die Organisation hat ein kleines Büro in der Rue Marc Seguin in Paris. Mbvoumin, 36, ehemaliger kamerunischer Nationalspieler, sitzt hinter einem Schreibtisch voller Akten und sagt: »Die erste Welle schlägt den Afrikanern gleich nach ihrer Ankunft in Europa ins Gesicht. Sie spüren, dass sie hier unerwünscht sind,
dass es keinen Platz gibt für sie, dass Europa alles ist - nur nicht das Paradies, von dem sie träumten. Die zweite Welle kommt nach ein paar Wochen. Agenten tauchen auf, die keine Agenten sind, und reden von einer tollen Karriere. Es sind meistens eingewanderte Afrikaner, sie kommen leicht ran an die Spieler. Und dann schieben sie diese ab zu kleinen und kleinsten Klubs, nach Malta, Zypern oder Luxemburg - und das ist noch ein Glück. Oft müssen die Spieler ihre Agenten dafür bezahlen, dass sie für sie nach einem Verein suchen. Und dann passiert nichts, und irgendwann ist der Agent weg und das Geld
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