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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst
Autoren: Paul Ekman
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das System kann nur stabil sein, wenn es bestimmte Gründe gibt, warum sich ein Betrug in den meisten Fällen nicht auszahlt. Täuschungen belegen die Bedeutung des Signals mit einer Art Steuer. Der wichtigste Faktor in stabilen Signalsystemen ist Ehrlichkeit, sodass die Abwertung der Bedeutung des Signals durch Schwindel eingeschränkt werden muss, damit die Stabilität aufrechterhalten wird. (Seite 533)

    Nach dieser Argumentation sollten die Signale der Betrüger, also Lügen, selten auftreten. Die Resultate von Cosmides und Tooby| 13 legen nahe, dass der Mensch eine Sensibilität entwickelt hat, Verstöße zu ahnden und die Betrüger nicht zu belohnen, sodass dieser Umstand erklären könnte, warum Täuschungen nicht so häufig vorkommen. Unsere Forschungsergebnisse lassen allerdings darauf schließen, dass wir Betrüger wahrscheinlich nicht deshalb überführen, weil wir die Fähigkeit haben, in ihrem Verhalten Hinweise auf Lügen zu entdecken, sondern durch andere Methoden.
    Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Umwelt unserer Vorfahren uns nicht darauf vorbereitet hat, scharfsinnige Lügenermittler zu sein. Wer bei der Überführung eines Lügners aufgrund von Verhaltenshinweisen geschickter als andere gewesen wäre, hätte in der Lebenswelt unserer Vorfahren vermutlich nur minimale Vorteile gehabt. Schwerwiegendere Lügen kamen wahrscheinlich nicht häufig vor, weil mangelnde Privatsphäre die Gefahr erhöhte, erwischt zu werden. Ein solcher Mangel an Privatsphäre würde auch bedeuten, dass man Lügen typischerweise durch direkte Beobachtung oder andere materielle Beweise entdeckte, statt sich auf die Beurteilung des Verhaltens eines Verdächtigen zu verlassen. Schließlich wäre in einer kleinen, auf Kooperation angewiesenen, geschlossenen Gesellschaft eine Rufschädigung durch nachgewiesene Lügen dramatisch und unausweichlich gewesen.
    In modernen Industriegesellschaften ist die Situation nahezu umgekehrt. Es gibt reichlich Möglichkeiten zu lügen, auch der Rückzug ins Private ist leichter. Es gibt sehr viele geschlossene Türen. Wenn man ertappt wird, müssen die gesellschaftlichen Folgen nicht unbedingt katastrophal sein, denn es steht einem ja frei, den Job, den Partner, das Dorf zu wechseln. Ein schlechter Ruf muss einem nicht überallhin folgen. Nach dieser Argumentation leben wir heute unter Umständen, die das Lügen eher begünstigen, als es zu unterbinden. Beweise und Aktivitäten lassen sich leichter verbergen, sodass die Notwendigkeit, unser Urteil auf Verhaltensweisen zu gründen, umso größer ist. Aber wir sind im Lauf unserer Evolutionsgeschichte nicht darauf vorbereitet worden, den Verhaltenshinweisen auf eine Lüge besondere Beachtung zu schenken.
    Wenn uns die Evolutionsgeschichte nicht darauf vorbereitet hat, Lügen aus Verhaltensweisen abzuleiten, warum lernen wir das dann nicht im Lauf des Erwachsenwerdens? Eine Möglichkeit ist, dass unsere Eltern uns beibringen, ihre Lügen nicht zu identifizieren. Um die Privatsphäre zu wahren, ist es oft erforderlich, Kinder irrezuführen, wenn es darum geht, was man tut, wann man es tut und warum man es tut. Während sexuelle Aktivität offensichtlich der häufigste Anlass für solche Lügen ist, gibt es sehr wohl auch andere Dinge, die Eltern vor ihren Kindern verheimlichen möchten.
    Eine dritte Erklärung lautet: Wir ziehen es im Grunde vor, Lügner nicht zu ertappen, weil eine vertrauensvolle Haltung -trotz der möglichen Kosten - das Leben eher bereichert als eine misstrauische Einstellung. Immer zu zweifeln und falsche Anschuldigungen zu machen ist nicht nur unangenehm für den Zweifler, sondern untergräbt auch die Chance, Intimität oder Vertrautheit in der Beziehung, in Freundschaften oder in aktuellen kollegialen Beziehungen am Arbeitsplatz herzustellen. Wir können es uns nicht leisten, einem Freund, unserem Kind oder unserem Ehepartner nicht zu glauben, wenn sie tatsächlich die Wahrheit sagen, und so glauben wir, nur um sicherzugehen, auch dem Lügner. Anderen zu vertrauen ist nicht nur notwendig, sondern es macht auch das Leben einfacher. Was macht es schon aus, wenn jemand davonkommt, der aus diesem Vertrauen einen Vorteil herausschlägt, wenn wir es nie erfahren werden? Nur Paranoiker und Personen, deren Leben tatsächlich bedroht ist, wenn sie nicht ständig auf der Hut vor Betrug sind, verzichten auf diesen Seelenfrieden. In diesem Sinne gelang uns (Bugental, Shennum, Frank und Ekman| 14 ) der Nachweis, dass
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