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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin
Autoren: Nelly
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Papa und
Laury und Sandy von Mama. So jedenfalls sah ich die Dinge damals mit meinen
zwölf Jahren. Papa und Mama verstanden es sehr gut, ihre Probleme vor uns zu
verbergen.
    Das Haus war unser ein und alles. Ich
glaube, Papa hat jeden Pfennig, den er verdiente, da hineingesteckt. Er hat
aber auch fast jede freie Minute geopfert, um daran zu arbeiten. Es gab immer
etwas zu tun: eine Mauer errichten, den Keller ausbauen, eine Garage erstellen —
die allerdings nie fertig wurde — , eine Terrasse anlegen. Die
Betonmischmaschine im Hof lief, sowie Papa ein bißchen Zeit hatte.
    Ich bewunderte meinen Vater. Ich fand
es toll, daß er wußte, wie man ein Haus baut. Dazu muß ich allerdings sagen,
daß er, wie schon mein Großvater, von Beruf Maurer war. Und ich, seine kleine
Tochter, durfte ihm dabei helfen, unser Haus herzurichten und zu verschönern.
Das machte mich ganz stolz. Papa freute sich über meine Hilfe. Er duldete nur
mich in seiner Nähe, sonst niemand, auch nicht Laury und Sandy. Ich dachte mir
nichts bei dieser Bevorzugung, ich war eben Papas Liebling.
    Zwischen zwei hohen Kiefern hatte mein
Vater ein Seil aufgehängt. Ich kletterte daran hoch und schaukelte hin und her
wie Tarzan an einer Liane. Das war super. Vom Hausdach aus hatte man einen
herrlichen Blick bis hinüber zur Schloßruine Le Castelias jenseits des Waldes.
Aber ich war zu klein, um aufs Dach hinaufzusteigen.
    Jedes Jahr an Weihnachten haben wir
einen Tannenbaum geschmückt. Wir hatten sogar eine Tanne vor dem Haus
gepflanzt, die wir später, wenn sie groß genug wäre, fällen und mit Girlanden,
Sternen und Kugeln behängen wollten. Im Winter mit dem Schnee sah sie
wunderhübsch aus, und ich wünschte mir, sie würde schneller wachsen. Aber weil
dann die Sache mit meinem Vater passiert ist, kamen wir nicht mehr dazu, den
Baum zu fällen. Wir haben ihn nie geschmückt. Er ist später eingegangen.
    Manchmal kamen die Tiere aus dem Wald
bis ans Haus. Die Füchse, die draußen herumstrichen, hielt ich für Wölfe. In
dieser Umgebung wuchs ich auf und wurde größer, ohne daß ich es merkte. Bis ich
eines Tages unter einer Kiefer durchsauste und mir den Kopf am untersten Ast
stieß. Jahrelang hatte ich mit einem Affentempo und eingezogenem Kopf diesen
Weg genommen, und jetzt paßte ich plötzlich nicht mehr durch! Da begriff ich,
daß ich gewachsen war. Ich hatte innerhalb eines Jahres ein paar Zentimeter
zugelegt. Papa lachte und meinte, ich sei eine »richtige kleine Frau« geworden.
Ich lachte mit ihm, ich nahm das nicht ernst. Ich war noch ein Kind, und ich
wollte ein Kind bleiben, mein ganzes Leben lang, denn das war einfach das
Schönste.
    Ich war ein unbekümmertes,
unverdorbenes Mädchen mit flacher Brust und aufgeschürften Knien wie ein Junge.
Mein Leben drehte sich um unser Haus, meine Familie und die Schule, mit der ich
keinerlei Probleme hatte. Alles andere interessierte mich nicht. Auch nicht die
Jungs. Ich war noch in dem Alter, wo man Hütten im Wald baut und mit
Barbie-Puppen spielt. Es war eine tolle Zeit.
    Papa und ich betätigten uns als Maurer,
damit das Haus fertig wurde. Wenn er nicht da war und Mama Zeit für mich hatte,
gingen wir in den Wald, Pilze sammeln und wilden Spargel suchen. Bei Regen zog
ich mit meinem Bruder los, und wir stapften im Morast herum. Meine Güte, wie oft
bin ich in den Schlamm geplumpst! Wir spielten alles, was Kinder im Wald eben
so unternehmen können. Das verstehe ich unter Glück.
    Ich hatte alles, was man sich in diesem
Alter nur wünschen kann, sogar Großeltern, die in uns Kinder ganz vernarrt
waren. Mireille und René, die Eltern von Papa, wohnten in dem Nachbardorf vier
Kilometer entfernt, wo wir früher auch gewohnt hatten. Ich sah sie oft abends
und besuchte sie regelmäßig an den Wochenenden. Ihr Haus war unser zweites
Zuhause. Großvater René hat immer einen Kuchen für mich gebacken. Er und
Großmutter haben mich ganz schön verwöhnt. Ich war ihr erstes Enkelkind, ihr
ganzer Stolz. Sie waren außer sich vor Freude, als ich auf die Welt kam.
Besonders Großvater, ein rechtschaffener, allseits geschätzter und geachteter
Mann, hatte sich unbändig gefreut.
    Mein Großvater und mein Vater hatten
früher kein besonders gutes Verhältnis, sie waren zu verschieden. Sie konnten
nicht miteinander reden, weil sie nicht wußten, wie. Seiner Mutter dagegen
stand mein Vater sehr nahe. Als ich geboren wurde, war ich vom ersten Moment an
Großvaters Liebling. Er vergötterte mich. Er nahm mich
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