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Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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genau der Song, den sie jetzt gern hören würde. Ja, richtig, das war er: Make You Feel My Love von Bob Dylan. Ein Liebeslied.
    Er berührte leicht ihren Arm, und sie ließ ihn gewähren. Was war schon dabei, nichts weiter als ein Arm, nur ein Arm, dachte sie. Nur ein Kollege der Guardia diFinanza, der in einen Betrug um russische Nutten verwickelt war. Ja, sie wusste es. Kein Wunder bei den Gehältern. Die Versuchung war groß. Eine Partnerin, eine Ehefrau, die zu versorgen war. Meine Frau ist nicht glücklich darüber, dass ich mit dir so viel Zeit am Telefon verbringe . Michele selbstverständlich auch nicht, aber es war doch nichts Schlimmes dabei. Kein Sex. Nein. Keine Zukunft. Keine Kinder. Keine erfolglose Wohnungssuche. Ich werde Michele nicht verlassen. Selbst wenn ich es mir manchmal wünschte. Nicht alles ist Gold, was glänzt. Sowieso waren alle Dinge fast nie so, wie sie schienen.
    Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, Doris. Ja, findest du? Ja. Du arbeitest einfach aus Freude an der Sache. Du bist nicht finanziell darauf angewiesen, mit der Familie, die du im Hintergrund hast. Bist du dir da wirklich ganz sicher? Und wenn ich dir sagen würde, dass ich dem Leben etwas schulde? Dass die Arbeit für mich so etwas wie eine Wiedergutmachung ist? Was würdest du sagen, wenn ich dir die Geschichte eines zwei Tage alten Mädchens erzählen würde, das von ihrer Mutter weggegeben wurde, weil sie es nicht wollte? Ich trinke nicht, nehme keine Drogen. Meine Abhängigkeit ist die Arbeit.
    Ich kann mich glücklich schätzen, sagst du? Komm schon, ich glaub dir kein Wort. Du bist doch nicht wirklich adoptiert! Ein kleiner Scherz. Dachte ich mir’s doch. Da siehst du’s. Lass uns nicht streiten. Das tun wir doch gar nicht. Wir können uns weder lieben noch versöhnen, dann lass uns wenigstens auch nicht streiten.
    Inzwischen waren sie bei ihrem Auto angekommen, das noch dort stand, wo die Kommissarin es abgestellt hatte. Luca Righi nahm die Schlüssel und öffnete den Wagen ganz vorsichtig. Auf dem Sitz lag die Kamera. Maria Dolores streifte sich Handschuhe über und griff danach. Sie warf einen kurzen Blick auf den Apparat und drückte dann auf den Einschaltknopf. Auf dem Display erschien ein Foto von ihr selbst, ohnmächtig auf dem Boden. Noch ein Bild von ihr. Dann eine Reihe düsterer, unmissverständlicher, nüchterner Fotos. Kleine Kinder. In Pose. Gefesselt. Verzweifelt. Auch Arianna war unter ihnen. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen. Die letzte Aufnahme war verschwommen. Ein nacktes Kind. Im Hintergrund, in der Ecke, der Schwanz eines weißen Hundes.
    Während Maria Dolores ihre Wut zurückhielt, dachte sie an den Hund, den sie im Wald ausgegraben hatten. Ohne Zweifel, das war derselbe Hund wie auf dem Foto. Er war beiseitegeschafft worden, weil er ein unberechenbares Risiko darstellte. Früher oder später würde eines der Kinder von dem Hund erzählen. Vielleicht.
    »Glaubst du mir jetzt endlich? Der Priester hat mit den Misshandlungen nichts zu tun. Das Schwein läuft noch immer frei rum. Er hat in meine Canon seine Speicherkarte eingelegt.«
    »Du kannst nicht mehr tun, als den Carabinieri von Aosta alles zu erzählen, was du weißt.«
    »Du musst mir nicht sagen, was ich zu tun habe. Sag mir lieber, ob du mir glaubst.«
    »Was für einen Unterschied macht das, ob ich dir glaube oder nicht. Darum geht es doch gar nicht. Es geht allein um die Gerechtigkeit.«
    »Die Suche nach Gerechtigkeit ist etwas ganz Individuelles, das müsstest du eigentlich wissen.«
    »Du verwechselst da etwas, Doris. Hier geht es um das Befolgen von Regeln. Du hingegen sprichst von Wahrheit, nicht von Gerechtigkeit.«
    Sie senkte den Blick, legte den Fotoapparat zurück in den Wagen und bedankte sich bei Luca Righi für das Herbringen. Als wären ihre starken Gefühle, die sie für ihn empfand und nicht benennen wollte oder konnte, ganz plötzlich einerlei geworden. Als wäre sie bereits mittendrin in einer Falle, die am zuschnappen war. Sie spürte, wie Hass in ihr aufstieg und das Loch in ihrem Herzen immer größer wurde. Und keinerlei Aussicht, den Schmerz in Vergebung umzuwandeln.

96
    Eine elegante, grazile Tänzerin mit dunklen Augen und langen, glatten Haaren, am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengebunden. Jung, sehr jung, noch Studentin. Vielleicht im zweiten, dritten Jahr. Zügellos, rebellisch. Und mit einer Leidenschaft für Poesie. Oder eine unsichere Frau, die sich bereits seit langem in
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