Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
Vom Netzwerk:
Hause hatten wir in der Gemeinde einen Mann, der wollte auch immer eine Tochter. Bei der Taufe des vierten Sohnes hat mein Vater ihm zugeredet und gesagt, er soll doch dankbar sein und sich bescheiden. Aber nein, er wollte es partout durchsetzen und schließlich hatte er sechs Söhne!«
    »Puh!« sagte Manfred.
    »Und bei den sieben Raben...«
    »Erzähl mir keine Märchen!«
    »Da hat’s am Ende doch geklappt. Das achte Kind war ein Mädchen.«
    »Nein«, sagte Manfred, »das nicht! Was zuviel ist, ist zuviel!«
    Schließlich schenkte ich alle Babysachen weg und fühlte mich schlecht dabei.

    Eine Stunde lang standen wir in der leeren Wohnung herum, sagten: »Ja, wo bleiben sie denn? Wenn sie nicht bald kommen, werden wir vor dem Abend nicht fertig mit Einräumen. Ein Möbelwagen kann doch nicht verloren gehen.« Dann sah ich ihn die Straße hinaufkeuchen, eine lange Autoschlange hinter sich. Der Fahrer manövrierte das Monstrum geschickt in die Parklücke, und die Packer kletterten heraus. Ihre Blicke glitten am Haus hinauf und blieben bei mir hängen. Ich stand auf dem Straßenbalkon und winkte fröhlich hinunter. Sie faßten sich entsetzt am Arm, deuteten nach oben und suchten Halt am Möbelwagen.
    Seit dem letzten Umzug hatten wir keine so unfreundlichen Packer mehr erlebt. Sie stöhnten und schimpften laut und betrachteten es als besondere Schikane ihnen gegenüber, daß wir mit zahllosen Bücherkisten und einem Klavier so hoch hinaufzogen. Da half kein Bier, da half kein Trinkgeld. Sie nahmen es zwar entgegen, verharrten aber in ihrer negativen Haltung.
    Manfred und ich hatten diesen Umzug auf s Beste vorbereitet. Es gab für jedes Zimmer einen Plan mit genauen Aufzeichnungen, wo welches Möbelstück stehen solle, nur waren uns diese Pläne im allgemeinen Durcheinander abhanden gekommen. Sie fanden sich später zu unserem Erstaunen in einer Suppenterrine. Auch hatten wir alle Kisten sorgfältig beschriftet, doch als der Umzugstag dem Ende zuging und die Packer brummend die Treppe hinunter stolperten, stand keine Kiste da, wo sie nach unserem Plan hätte stehen sollen. Wir hatten nicht gewagt, unsere so sichtbar strapazierten Helfer auch noch in verschiedene Zimmer zu dirigieren. Einer Art Urinstinkt folgend, hatten sie die Kisten in dem Raum abgesetzt, der der Tür am nächsten lag, und das war Manfreds Arbeitszimmer.
    Verzagt stand ich vor der Kistenpyramide, die sich bedrohlich vor uns türmte.
    »Meinst du nicht«, sagte ich zu Manfred, »daß man sie ein bißchen verteilen sollte, bevor die Decke durchbricht und alles bei Prälats landet?«
    Gehorsam zerrte er an der obersten Kiste. Sie bewegte sich nicht einmal.
    »Dann müssen wir sie an Ort und Stelle leermachen«, schlug ich vor.
    »Man bräuchte eine Leiter dazu«, murmelte er schwach, »weißt du, wo die Leiter ist?«
    Ich wußte es nicht. Da ging ein heller Schein über Manfreds Gesicht und er sprach: »Gottlob!«
    So verbrachten wir die erste Nacht inmitten eines unvorstellbaren Chaos und in der Nachbarschaft einer Pyramide.
    Am nächsten Morgen gewann ich eine neue Erkenntnis. Es klingelte, ich stürzte zur Tür. Es war niemand da.
    Ich drückte auf den Türöffner, aber auch dann tat sich nichts. Niemand kam. Ich ging ins Treppenhaus hinaus und beugte mich über das Geländer. Tatsächlich, dort, tief unter mir, schien sich etwas zu bewegen. Zunächst sah ich nur Hüte, dann vernahm ich Schritte, und endlich hörte ich mehrstimmiges Schnaufen, das allmählich lauter wurde. Erst nach dieser Ouvertüre tauchten die Besucher leibhaftig auf. Wie oft sollte ich dieses Schauspiel noch erleben!
    Freilich erkannte ich bald die unbestreitbaren Vorteile, die mit einem derart beschwerlichen Aufstieg verbunden waren. Man konnte uns beim besten Willen nicht überraschen. Vom Klingeln unten bis zur Ankunft oben verging so viel Zeit, daß ich mich derweil in aller Ruhe kämmen und seelisch auf den Besucher einstellen konnte. Erschien er endlich mit hochrotem Gesicht, schwitzend und schnaufend an der Wohnungstür, empfing ich ihn wohl vorbereitet und mit freundlicher Gelassenheit, führte ihn in die kleine Diele und drückte ihn in einen bereitgestellten Sessel, damit er wieder Fassung erlange. Ich brachte es fortan nie mehr übers Herz, einen Besucher stehend an der Wohnungstür abzufertigen, was mir den Ruf besonderer Freundlichkeit eintrug.
    An diesem ersten Morgen in der neuen Wohnung hatte uns eine Abordnung des Kirchengemeinderats erstiegen. Es waren die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher