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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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die Lampe!« und: »Habe ich euch nicht tausendmal gesagt, dass im Haus nicht Fußball gespielt wird!« Dann rennt sie ebenfalls dem Ball hinterher, während Louis lediglich stolz grinst: Die Fußballleidenschaft haben sie von ihm, dem »Olympiakos Piräus«-Fan.
    »Die Zeiten der Stöckelschuhe sind für dich anscheinend vorbei«, sage ich und erinnere Anna an Santorin, und sie lacht und sagt: »Du solltest deine vielleicht auch aussortieren – dann musst du nächstes Mal nicht barfuss ankommen.« Denn genau so war ich vor ihrer Tür gestanden – mit den Schuhen in der Hand und einem triefenden Rocksaum.
    Eigentlich hatte ich mich ein bisschen schick gemacht für meine Cousine und das hübscheste Kleid und die schönsten Schuhe aus dem Koffer gezogen – wir hatten uns ja so lange nicht gesehen. So lange, dass ich den Weg zu ihrem Haus in Piräus (es ist das alte Haus ihrer Großeltern) nicht mehr genau wusste. »Gleich bei der Bushaltestelle«, sagte Anna am Telefon. »Du wirst es schon wiedererkennen, wenn du davorstehst.« Tatsächlich befand sich die Station allerdings nicht ganz genau vor dem Haus, sondern hundert Meter weiter – exakt vor der kleinen Steilküste, an deren Ufer uns Tante Youla mit unseren Schwimmringen um den Bauch immer ins Wasser ließ, damals, vor so vielen Jahren.
    Die kleine Bucht erstrahlt in goldener Abendsonne, der Weg hinunter über die Felsen, der früher von Unrat übersät war, ist sauber geteert und gepflegt (wie so vieles neuerdings in Piräus und Athen, und nur Griechenland-Neulinge beschweren sich über die »schmutzige« Großstadt – sie kannten sie ja früher nicht!).
    Ich kann nicht anders, ich muss da hinunter; unten baden Menschen. Ein paar Kinder mit Schwimmringen und Schwimmflügeln strampeln Schaum auf, etwas weiter hintenüben Jugendliche Kopfsprung und Salto ins tiefe Wasser. In sicherer Distanz paddeln zwei alte Damen, die eine mit einem Strohhut auf dem Kopf. »Das ist mein Bad Nummer achtundzwanzig in diesem Sommer!«, ruft sie stolz ihrer Freundin oder Nachbarin zu. »Bravo, bravo«, antwortet diese und rudert weiter hinaus: Es ist, als schrieben wir noch das Jahr 1968, als wären die Kinder mit ihren Schwimmringen Anna und ich und die Dame mit dem Hut Annas alte Yiayia beim Gesundheitsbad. Und gesund ist so ein Bad mittlerweile wohl, obwohl der Hafen nicht weit ist. Jedenfalls gesünder als früher: Das Wasserfeuerwerk in Petrol und Gelb und Karminrot ein paar Kilometer weiter gibt es nicht mehr, ebensowenig wie die Chemiewerke, die früher ihren Dreck ins Meer leiteten – heute achtet man auf Umweltschutz. Ein wenig weiter südlich, etwa ab Voula, besitzt die Stadtküste sogar die »Blaue Flagge« – das Zeichen für höchste Wasserqualität.
    Selbst die Stadtluft ist vergleichsweise rein: Das Ungeheuer nefos hat einiges von seiner Kraft eingebüßt und hängt nicht mehr täglich als graugelber Dunst über der Stadt. So kann das viel besungene attische Licht erstrahlen, und Athen, die weiße Stadt, verfärbt sich gerade rosafarben.
    Als ich nach vorne blicke, entdecke ich unseren alten Meereseinstieg wieder und erkenne Kieselsteinchen im Wasser. So tief war das damals für uns Kinder, dass wir hineingehoben werden mussten – dabei sind es sicher nur fünfzig Zentimeter. Plötzlich kann ich dem Impuls nicht widerstehen, einfach mit den Füßen hineinzugehen.
    Ich streife die Schuhe ab, raffe das Kleid, und dann – stehe ich bis zum Po im Meer. »Was hast du denn angestellt!«, ruft Anna aus, als sie mich sieht. »Du solltest doch den Bus nehmen und nicht hierher schwimmen!«
    Als endlich alle am Tisch sitzen, kann keiner verstehen, warum die Jungs keinen Appetit haben. Als hätten vor einerViertelstunde nicht alle gesehen, wie Tante Youla, die nun schon die zweite Neffengeneration mit großzieht, die Kinder mit Joghurt gefüttert hat. Im Wortsinn, dabei sind sie schon sechs. Youla ist nun etwas rundlicher als früher und nicht mehr so fix, darum setzt sie die Kleinen dazu vor den Fernseher, der ein Beamer ist. Wenn monstergroße Mickeymäuse die Wohnzimmerwand bevölkern, klappen die Münder der Jungs fast automatisch auf, und nur ein Löffel verfehlt sein Ziel und kleckert auf ein Stofftier, an das die Jungs sich kuscheln: ein Plüschhund im Doggenformat. Bei Anna im Haus scheint alles XXL zu sein: das ganze Familienleben.
    Es ist eine typisch griechische Großfamilie – die moderne Variante: Zwar hat Anna »nur« zwei Kinder, aber dafür gibt es umso
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