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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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Kartoffelchips?« Die Zeiten von psomi ke tiri sind offenbar vorbei.
    Es ist viel Zeit vergangen seit meinem letzten Athenbesuch. Zehn Jahre? Nein, es ist sogar noch länger her. Mittlerweile habe ich selbst eine Familie. Griechisch sprechen meine beiden Kinder leider nicht, das habe ich irgendwie nicht hinbekommen. Doch mein Mann und meine beiden Kinder lieben Griechenland – sogar das Essen. Gemeinsam haben wir so einige griechische Urlaubsinseln besucht. Wir haben dabei einen regelrechten Ehrgeiz entwickelt, die idyllischsten – und verschlafensten – davon zu entdecken. Es sind verträumte Plätze ohne Internetzugang, wo sich nur vergleichsweise wenige Touristen tummeln und alles noch fast so ist, wie es in meiner Kindheit war. Das moderne Athen aber ist mir fremd: In der total europäisierten, global gleichgemachten Stadt mit all den Fast-Food-Ketten und Vodafone-Logos erkenne ich »mein« altes Athen fast nicht wieder. Zumindest nicht auf Anhieb.
    »Karrrrpousiaaaa!!!«, kreischt da eine ohrenbetäubende Stimme durch die ohnehin lauten Straßen des alten Marktes in Piräus, zu dem ich mittlerweile geschlendert bin. Als würde ihr heiserer Besitzer mit heißen Eisen gemartert: »Karrrrpousia, me to macheri, ollllaaaa!!!!!!!« Ein entsetzliches Klagen. In meinen Ohren aber ein wunderbarer Gruß aus alten Zeiten: Es handelt sich um einen Händler, der seine Waren anpreist, mit dem gleichen Geschrei und aus einem ebenso alten, übersteuerten Mikro, mit dem er und seine Kollegen das bereits zurZeit meiner Kindheit taten, wenn sie mit ihren Kleinlastern voller Karpusia – Wassermelonen – durch die Straßen fuhren. ( Me to macheri ola heißt übrigens: alle mit dem Messer. Das bedeutet aber nicht, dass die Kunden beim Kauf einer Melone ein Messer dazubekommen, sondern lediglich, dass der Händler bereit ist, jedwede Melone anzuschneiden, damit man sehen kann, wie ausgereift sie ist.)
    Mir rückt der Melonenverkäuferschrei endlich den Blick gerade, der von all den Coffeeshops und internationalen Logos getrübt war, und plötzlich kann ich das typisch Griechische wiedererkennen und sehen, dass es noch existiert – und nun von neuen Details erweitert wird:
    Auf der Straße zwischen dem Fährhafen und dem Bahnhof geht wieder mal gar nichts, der Verkehr zieht sich so zäh hin wie Sirup – das war früher schon meistens so. Immer noch streiten und drängeln und schreien auf dem Bürgersteig entnervte Städter im Konkurrenzkampf um eines der Taxis, deren Fahrer ihrerseits aus den Wagen heraus keifen und sich weigern, Fahrgäste, die kein lohnendes Ziel angeben, überhaupt einsteigen zu lassen. Aber nun gibt es sogar eine hochmoderne Fußgängerbrücke über dieses Krisengebiet – mit Rolltreppen. Dafür stehen hundert Meter weiter nach wie vor ein paar der schmutzigen Häuserruinen, die seit mindestens vierzig Jahren so baufällig wirken, als würden sie jede Sekunde einstürzen.
    Die Mopedfahrer, die sich mit waghalsigen Manövern durchschlängeln, hupen nach wie vor häufiger als anderswo – nur sitzen heute viel öfter als früher hübsche, sehr schlanke Frauen am Steuer (mein Bruder hätte gegen die modernen Griechinnen kaum noch etwas einzuwenden), und offenbar halten neuerdings alle sich an die Helmpflicht, irgendwie: Nicht, dass sie die unbequemen Teile bei der Hitze etwa auf dem Kopf tragen würden, aber sie haben sie immerhin am Arm hängen wieein Accessoire, das zu einem Verkehrsteilnehmer gehört wie die obligatorisch brennende Zigarette, die in der Hand fast jedes Fahrers glimmt (Anti-Qualm-Kampagnen scheinen hier keinen so durchschlagenden Erfolg zu haben – am Flughafen und in den schockgefrosteten Banken ( Erkondission! ), patrouillieren sogar das Sicherheitspersonal und die Polizei lässig paffend neben den Rauchverbotsschildern). Und überall – sogar in der Kirche – läutet das kinito, das Handy. Falsch: Es trötet, singt, bimmelt wie Kirchenglocken, tutet wie ein Martinshorn, quietscht, hupt, piept und kreischt in den lautesten nur vorstellbaren Einstellungen.
    Der (griechischstämmige) US-Schriftsteller David Sedaris hat in einem Interview der Süddeutschen Zeitung einmal beklagt, dass er besonders ungern in Griechenland aus seinen Büchern liest, denn die Zuhörer schalten dort ihre Handys nicht nur nicht aus – sie gehen sogar bei Anrufen ran und beginnen zu palavern, während der arme Autor bald sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
    »Ti egine, was war los?«, meldet sich Onkel
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