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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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Arbeitskollegen der Verwandten alt genug waren, allein zu verreisen und Europa zu erkunden, schickte man sie zuallererst nach München zu meiner Mutter. Die beherbergte sie dann, ging mit ihnen shoppen und ins Museum – und beauftragte uns, sie auszuführen. So einige der Töchter schwärmten dabei für meinen Bruder. Eine war sogar unübersehbar verliebt.
    Sie war in der Drapezona aufgewachsen und studierte nun in Patras, wir kannten sie schon, als sie noch ein süßes Baby gewesen war. Jetzt war sie zu einem ausgesprochen hübschen Mädchen mit langem, glattem, schwarzem Haar geworden, und sie himmelte meinen Bruder regelrecht an. Er behandelte sie mit großem Respekt – deutlich mehr Respekt, als sie sich erträumte. Ich zog ihn deswegen natürlich auf: »Du musst keine Angst haben, die werden dich schon nicht gleich zwingen, sie zu heiraten!«
    Mein Bruder bekam einen düsteren Gesichtsausdruck und sagte: »Da gehe ich lieber auf Nummer sicher!«
    Der Verzicht fiel ihm allerdings nicht sehr schwer: Er mochte sportliche, durchtrainierte, »typisch deutsche« Mädchen – selbst die schlanksten Griechinnen waren ihm noch zu feminin: »Die haben alle keinen einzigen Muskel am Körper, die treiben ja gar keinen Sport! Da siehst du genau, wo bald die Zellulitis losgeht«, gestand er einmal – auch wenn er heute behauptet, so etwas Frauen- und Griechinnenfeindliches niegeäußert zu haben. Die deutschen Mädchen waren jedenfalls eher nach seinem Geschmack.
    Einmal – da lebten wir schon länger nicht mehr zu Hause – waren mein Bruder und ich in einer Kneipe in Schwabing verabredet. Es war allerdings so voll, dass ich ihn eine Zeitlang im Gewühl nicht finden konnte. Schließlich machte ich einen seiner Freunde ausfindig.
    »Der Grieche?«, sagte der auf meine Frage nach meinem Bruder. »Der ist da hinten.«
    Der Grieche?!?
    Ich fand ihn schließlich an der hinteren Bar des Lokals, umringt von drei groß gewachsenen Blondinen, wie er eine griechische Heldengeschichte von sich gab: Es war die alte Saga von dem Oktopusjäger, der einsam am Strand haust, umgeben nur von Sonne, Meer, Einsamkeit und einem psarotoufeko . In die griechischen Wörter, die er wie zufällig einstreute, legte er echten Schmalz, occchtapodi, Tintenfisch, oder thaaaalassa, Meer. Man hätte wirklich glauben können, er käme aus Hellas, und nicht aus dem Münchener Osten, und die Blondinen staunten ihn an, als wären sie rasend gern mal bei der Oktopusjagd dabei: ganz allein an einem einsamen Strand mit meinem Bruder, dem Griechen.

Erinnerung an Anis und Zimt
    D er kamaki, der sich ungebeten an meinen Tisch setzt, ist sehr glutäugig und jung, und einen Moment fühle ich mich ein bisschen geschmeichelt. Natürlich lasse ich mir nichts anmerken und versuche, hochnäsig in eine andere Richtung zu blicken und sein Süßholzraspeln zu ignorieren. Ganz gelingt es nicht, und so registriere ich bald, dass der Schönling nicht »matia mou, mein Augenlicht« oder »ela, na se keraso, komm, ich lade dich ein« raunt, sondern »Harry Potter«. Wie bitte?
    Jetzt erst bemerke ich, dass sein Teint etwas zu dunkel wirkt, um griechisch zu sein. Und dass er einen Fächer raubkopierter DVDs hochhält. Als ich loslache, ist das aber auch wieder ganz falsch, denn nun bleibt er einfach sitzen und wedelt weiter mit den DVDs.
    Das Café ist eine Art Coffeeshop, statt eines Frappé oder Ellinikos , griechischer Mokka, steht ein Latte Macchiato vor mir, die Wassergläser auf dem Tisch sind von Ikea und die Tüten der Frauen, die vorbeiflanieren, tragen das Logo der spanischen Modekette Zara. Und alle jungen Leute auf den Straßen sehen aus wie überall: Die Jungs tragen Hosen, die fast über den Po rutschen, die Mädchen so extrem gescheiteltes Haar, dass nur ein Auge frei bleibt.
    Das Klo ist wie mittlerweile alle Athener Waschräume: schicker und sauberer als selbst noch der Rest des Lokals. Dieses hier wird so intensiv mit synthetischer Meeresbrise beduftet, dass mir beim Rausgehen schwindelig wird und ich plötzlich kein Griechisch mehr verstehe. Doch das liegt daran, dassdie Frauen, die hinter dem Tresen Snacks zubereiten, gar kein Griechisch miteinander sprechen. Sondern Albanisch. Oder ist es Bulgarisch?
    Draußen stoße ich fast mit einer jungen Mutter zusammen, die den Buggy vor sich abrupt anhält: »Tha ta fas epitelous, ta patatakia sou?«, fährt sie ihre Tochter an, die eine halbleere Chipstüte umklammert hält: »Isst du sie endlich, deine
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