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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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schief und rührt rund hundertmal. Und dann noch ein paar Runden. Dann kneift er wieder die Augen zusammen und lässt Zucker einrieseln. Rührt weiter, als wollte er Sahne aufschlagen. Schließlich lässt er das Glas mit Wasser volllaufen, trinkt, seufzt und sagt: »Ahhh – das ist Kaffee! Wenn du willst, mache ich dir auch einen.«
    Wir hängen oft den halben Tag einfach nur so herum und springen ab und zu ins Meer, das wir von meiner Terrasse aus mit einer Leiter erreichen können. Oder wir marschieren über den Hügel zu der kleinen Sandbucht und plantschen dort, und der Onkel sagt alle fünf Minuten: »Vorsicht, die Kinder! Ihr müsst auf die Kinder aufpassen!« Dabei ist das Wasser flach, und meine beiden Kinder sind gute Schwimmer.
    Dann gehen wir alle in die Taverne am Strand und essen nur ein Drittel von dem, was die griechischen Gäste an den Nebentischen verspeisen. (Denn es gibt sehr wohl griechische Touristen, sogar solche, die in Australien oder den USA leben, trotz der Kargheit und des Mangels an Luxushotels. Sie kommen her, weil sie Verwandtschaft haben im Ort.) Onkel Michalis schüttelt dann den Kopf und sagt: »Die Kinder haben fast NICHTS gegessen.« Aber das immerhin selbstständig, das fällt ihm auf: »Deine Kinder sitzen wie Große am Tisch! Die hast du gut erzogen. Die Griechinnen füttern ihre Kinder ja noch.«
    »Damit mehr reingeht«, sage ich, und da müssen wir beide lachen: »Es ist eine Unart hier, die Kinder so zu mästen«, gibt der Onkel zu. Doch dann zuckt er zusammen, als er sie eine Stunde nach dem Mittagessen im Wasser sieht: »Das ist gefährlich, sie werden untergehen! Nach dem Essen darf man vier Stunden nicht baden!«
    »Aber sie haben ja nichts gegessen«, zwinkere ich ihm zu, und das muss der Onkel zugeben: »Auch wieder wahr!«
    Sicherheitshalber verzieht er selbst sich dann zur Mittagsruhe, die bis rund zwanzig Uhr dauert, und wir treffen ihn wieder im Ort und gehen in eine Taverne, wo der Onkel über Magenschmerzen klagt: »Heute muss ich mal was Leichtes bestellen, sonst kann ich nachts nicht schlafen.«
    Fasolakia , grüne Bohnen, kommen also nicht in Frage, ebenso wenig wie Gigantes , weiße Bohnen. Und nichts aus dem Ofen – wie Gemistes , gefüllte Paprika, oder Papoutsakia , gefüllte Auberginen. Keine pappigen Nudeln, also kein Pastitio und keine Makaronia me Kima, Spagetti Bolognese.
    »Ich mache Diät und esse griechische Bratwurst mit Pommes, da kann nichts schiefgehen«, sagt mein Onkel, und mein Mann erwidert: »Wenn das eine Diät ist, fange ich gleich heute damit an!«
    Als aber der Onkel und ich richtig fröhlich am Plaudern sind und unsere Stimmen immer lauter werden, fängt meine kleine Tochter an, schrecklich zu weinen: Sie denkt, wir streiten – so wie ich das früher bei griechischen Unterhaltungen dachte, als Kind, als ich noch kein Griechisch verstand. Und so wiederholt sich alles.
    Wenn dann sogar meinem großen Sohn vor Müdigkeit der Kopf auf den Tavernentisch sinkt, befördert mein Mann den Nachwuchs allein ins Bett, denn Michalis und ich sind noch lange nicht fertig: Es geht um Korruption und Nepotismus und dass es sie auch in Deutschland gibt. (»Ich dachte, darauf sind wir abonniert!«, sagt der Onkel.) Es geht um die Wirtschaftskrise. (»Die trifft uns nicht so. Denn wo nichts ist, kann ja nichts pleitegehen«, so Michalis. »Und der Schattenwirtschaft geht’s nach wie vor gut. Da kommt auch Geld in Umlauf!«) Auch darum, dass die Deutschen so viel Lebensfreudedazugelernt haben seit den fünfziger Jahren, als der Onkel das erste Mal nach München kam. (» Orei anthropi, tolle Leute«, sagt der Onkel und zeigt auf zwei Paare, die am Nebentisch lautstark feiern.) Denn im Grunde leben Deutsche und die Griechen heute sehr ähnlich, findet der Onkel – zumindest in den Großstädten. Nun ziehen junge Griechen sogar von zu Hause aus und leben unverheiratet mit einem Lebenspartner zusammen. Sogar Cousin Alexis, Michalis’ Sohn, hat dies getan – da war er allerdings schon bald fünfunddreißig.
    »Bei uns passiert das aber etwas früher«, sage ich vorsichtig, doch das kann Michalis nach wie vor nicht gutheißen: »Es ist doch schön, wenn die Familie zusammenbleibt! Du würdest dich doch auch nicht freuen, wenn dein Sohn bald das Haus verlässt!«
    »Aber Onkel, man muss doch verstehen: Wer will schon bis über dreißig in seinem Kinderzimmer leben?!«
    »Was heißt da Kinderzimmer! Meine Kinder haben ja die ganze Wohnung in Beschlag
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