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Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Titel: Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Autoren: Shoko Tendo
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verloren und mit staunend aufgerissenen Augen herum, als ein älter wirkendes Yankee-Mädchen zu mir trat: »Hallo, na, wie alt bist du denn?«
    Da sie nicht so aussah, als ob sie in dem Club arbeitete, gestand ich ihr entgegen dem Ratschlag meiner Schwester die Wahrheit: »Ich bin zwölf.«
    »Ach was, ehrlich? Ich hätte gedacht, du bist so alt wie ich. Komm mit, ich stell dich den anderen vor.«
    Dabei ergriff sie meine Hand und zog mich an einen Tisch in der Nähe. Maki stand währenddessen mit Freunden auf der Tanzfläche und beachtete mich nicht weiter.
    »He du, die Kleine da, rate mal, wie alt die ist?«, fragte das Mädchen einen Typen mit einer Tolle und ausrasierten Seitenpartien.
    »17 oder so.«
    »Falsch, keine Spur, sie ist erst zwölf«, kreischte das Yankee-Mädchen laut, woraufhin mich alle am Tisch gleichzeitig anstarrten. »Echt? Wie heißt du denn? Und mit wem bist du hier?«
    »Ich bin Shoko und ich bin mit Maki da, das ist meine Schwester«, antwortete ich. Der Junge mit der Tolle kratzte sich am Kinn: »Maki …? Also du bist Makis kleine Schwester«, murmelte er und nickte dabei mit dem Kopf. Ich war mir nicht sicher, ob das ein Zeichen dafür war, dass ihm meine Antwort gefallen hatte, oder ob er einfach dem Rhythmus der Musik nachgab.
    »Maki und ich kennen uns gut«, sagte das erste Mädchen dann, »ich heiße übrigens Sayuri.« Dann reichte sie mir ein Glas Ginger Ale, und alle stießen an und riefen »Kampai!«. Ich fühlte mich großartig, zum ersten Mal hatte ich mit Leuten Freundschaft geschlossen. Ich war überglücklich und fand es großartig, ein Yankee zu sein.
    »Shoko, komm tanzen!«
    Sayuri zog mich auf die Tanzfläche. Es lief gerade Play That Funky Music von Wild Cherry. Wir tanzten, bis der Club in den frühen Morgenstunden zumachte.
    Einer von Makis Freunden brachte uns schließlich in seinem pinken, getunten und total abgefahrenen Nissan Skyline nach Hause. Wir waren völlig durchgeschwitzt und wurden in dem tiefergelegten Auto bei jeder noch so kleinen Bodenwelle in den Sitzen hochgeschleudert. Ich hatte das Gefühl zu schweben. Aus dem Autoradio dröhnte Ihoujin (»Fremde«) von Saki Kubata, ein Lied, das damals gerade absolut angesagt und für mich vollkommen neu war.
    Wir stiegen in der Nähe unseres Hauses aus, kletterten leise durch das Fenster von Makis Zimmer, zogen unsere Schlafanzüge an, schminkten uns rasch ab und schlüpften dann gemeinsam unter Makis Bettdecke. Doch ich war viel zu aufgeregt, um einschlafen zu können. Für mich war es das allererste Mal gewesen, dass ich so ein Abenteuer erlebt hatte, mein Herz schlug immer noch wild.
    Von diesem Tag an war ich ein Yankee.
    Als ich in die siebte Klasse kam, hatte ich mir bereits selbst mit einer dicken, über einem Feuerzeug desinfizierten Nadel Ohrlöcher gestochen, schminkte mich, lackierte mir die Fingernägel 11
› Hinweis
und zog mich wild an wie ein typischer Yankee. Allerdings ging ich noch jeden Tag zur Schule. Weil ich jetzt so aussah, traute sich keiner mehr, etwas Gemeines zu mir zu sagen, das Schikanieren hörte auf.
    Ohrlöcher, Make-up, gefärbte Haare und lackierte Fingernägel sind an den meisten Schulen in Japan strengstens verboten.
    Eines Tages bestellte mich meine Klassenlehrerin ins Lehrerzimmer: »Tendo, du musst aufhören, deine Haare zu färben 12
› Hinweis
!«, fuhr sie mich an.
    Da es Schülern verboten ist, sich die Haare zu färben, bekommen Schüler, die keine wirklich schwarzen Haare habe, oft Probleme, weil angenommen wird, dass sie sich die Haare gefärbt haben. Das ist tatsächlich auch heute für viele Japaner schwierig, die dunkelbraunes Haar haben.
    »Was ist los? Meine Haare sind von Natur aus so. Ich färbe da nichts.«
    »Lügnerin! Erst wenn deine Haare wieder die normale schwarze Farbe haben, darfst du zurück in die Klasse.«
    Bei diesen Worten explodierte auf einmal all die Wut, die sich in mir gegen meine Lehrer aufgestaut hatte.
    »Na und? Was soll denn der ganze Scheiß? Glauben Sie, dass mir das was ausmacht?«
    Dann fegte ich mit einer Armbewegung alles vom Schreibtisch, was darauf lag, und trat so fest ich konnte gegen einen Stuhl. Mit so einer Reaktion hatte sie wohl nicht gerechnet. Die Lehrerin wurde kalkweiß im Gesicht, dann versuchte sie, mich mit einer honigsüßen Stimme zu beruhigen: »Du weißt ja, das verstößt leider gegen die Schulregeln.« Damit drängte sie mich rasch und mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck aus dem
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