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Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Titel: Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Autoren: Shoko Tendo
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Zeichnen.
    »Shokos Papa ist ein Yakuza, buhuhu, das macht mir aber Angst!«
    »Dein Vater kommt sicher nicht zum Elternsprechtag, oder? Er sitzt ja im Gefängnis.«
    »Na und? Was ist denn so schlimm daran, ein Yakuza zu sein?«, schrie ich sie dann an, denn das Einzige, was ich nicht wehrlos ertragen konnte, war, wenn meine Eltern beleidigt wurden. Und selbst wenn die Tochter eines Yakuza zu sein bedeutete, wie Dreck behandelt zu werden, wollte ich doch nicht vorgeben etwas zu sein, was ich nicht war, nur um Freunde zu bekommen.
    Ich hasste die Schule abgrundtief, aber jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, warteten im Flur schon mein Hund und meine Katze auf mich. Dann streichelte ich ihr weiches, warmes Fell und fühlte mich wieder wohl. Menschen lügen ohne Mitleid, ohne eine Miene zu verziehen. Tiere sind da ganz anders. Die Karpfen, denen ich jeden Tag ihr Futter gab, schwammen mir entgegen, wenn sie meine Schritte hörten. Für sie war ich jemand, den sie wirklich brauchten. Und für mich waren sie nicht nur irgendwelche Haustiere, sondern ein wichtiger Teil unserer Familie.
    Der Frühlingswind wirbelte die Kirschblüten vor meinem Fenster umher, wie bei einem Schneesturm schwebten sie hoch in den Himmel und mein Herz tanzte mit ihnen. Wenn ich mein Ohr vorsichtig an den Stamm des Kirschbaums legte, schien es mir, als könne ich seinen Puls hören, und ich freute mich, dass wir so in Verbindung standen. Wenn der Frühling vorüber war und keine Blüten mehr am Kirschbaum hingen, legte ich mich oft unter ihn und sah zu, wie die Wolken langsam am blauen Himmel vorüberzogen. Ich malte mir dann eine Welt hinter den Wolken aus und war glücklich.
    Für mich war meine Mutter jemand ganz Besonderes. Weil ich oft kränkelte, umsorgte sie mich stets und war immer bei mir. Dennoch hatte ich schreckliche Angst, dass sie eines Tages ganz plötzlich verschwinden würde und nie mehr zurückkäme.
    Als ich einmal krank im Bett lag, wachte ich auf und Mama war nicht bei mir. Da sie nicht antwortete, als ich nach ihr rief, rannte ich barfuß aus dem Haus, um nach ihr zu suchen. Schließlich sah ich sie, sie war einkaufen gewesen und war auf dem Weg zurück. Erschrocken brachte sie mich nach Hause.
    »Du sollst doch im Bett bleiben, warum bist du denn losgelaufen?«, fragte sie mich und sah mich dabei verwundert an. Weshalb ich mich plötzlich so unsicher gefühlt hatte, konnte ich ihr allerdings nicht wirklich erklären.
    Wenn ich krank war, brachte Mama mir das Essen ans Bett: schneeweißen Reisbrei mit einer knallroten, eingelegten Umeboshi-Pflaume und Pfirsichspalten so golden wie Herbsthalbmonde. Ich kann mich noch gut an den süßen Geschmack des Reisbreis und der Pflaume erinnern. Damals war mir nicht bewusst, wie schnell diese liebevolle Zeit mit meiner Mutter zu Ende sein würde.
    Als ich wieder einmal erkältet war und auch Fieber hatte, war ich nicht zur Schule gegangen und lag im Bett. Plötzlich kam Mizuguchi, einer der jungen Männer unserer Yakuza-Familie, in mein Zimmer.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte er und dabei funkelten seine Augen seltsam und er wirkte ganz anders als sonst. Mir kam das irgendwie komisch vor, daher murmelte ich nur: »Hmm … nicht besonders«, und vermied es, ihm in die Augen zu sehen.
    »Du bist ja schon richtig groß geworden, Shoko, und richtig hübsch.« Sein Gesicht kam immer näher und dann küsste er mich. Ich versuchte mich dagegen zu wehren, aber er schob seinen Arm, auf dem seine Tätowierungen zu sehen waren, in mein Schlafanzugoberteil und griff grob an meine Brust. Ich wehrte mich und konnte mich ihm entwinden, aber ich hatte entsetzliche Angst und zitterte am ganzen Körper, beinahe hätte ich mich übergeben müssen.
    Ein paar Tage danach wurde Mizuguchi wegen Drogenmissbrauch verhaftet.
    Seitdem war ich Erwachsenen gegenüber sehr misstrauisch.
    Mein Vater wurde aus dem Gefängnis entlassen, als ich gerade in die vierte Klasse kam. Beinahe jeden Abend ging er mit Freunden in eine teure Hostessenbar 7
› Hinweis
und betrank sich dort. Für uns war es fast schon normal, dass die Hostessen ihn nachts nach Hause brachten.
    Hostessenbar: Hostessen sind in gewisser Weise die Geishas von heute. Genau wie Geishas sind Hostessen keine Prostituierte, sondern Unterhalterinnen. Während Geishas allerdings eine mehrjährige Ausbildung durchmachen, ist Hostess ein Job, für den man keine weitere Qualifikation braucht. Sie unterhalten die meist männlichen Gäste mit Konversation,
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