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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Autoren: Babak Rafati
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geschah.
    Mein Rücktritt wurde am 24. Mai 2012, 37 Tage nach meinem Rücktritt vom DFB nachrichtlich bekannt gegeben, fünf weitere Tage später, am 29. Mai, die Namen der beiden neuen Aufsteiger. Für mich irritierend, dass ich erst offiziell Erwähnung fand, als man Folgendes bemerkte: Bei der Ankündigung der zwei Aufsteiger musste man erst die Akte Rafati aus der Schublade heraus kramen und den Rücktritt, der 37 Tage zurücklag, bekanntgeben, um die Neulinge fallabschließend präsentieren zu können. Der Einzige, der dann offiziell sein Bedauern ausdrückte, war DFB-Vizepräsident Karl Rothmund: »Babak Rafati hört als Schiedsrichter auf. Ich bedaure das, weil er ein herausragender Unparteiischer war und ein sympathischer Mensch ist. Aber ich kann es auch nachvollziehen.«
    Dann wurde es still. Erst im Juli hörte ich wieder vom System Schiedsrichter. Man ersuchte mich über meinen Rechtsanwalt um die rasche Rückgabe meines Headsets, damit die nachrückenden Schiedsrichter damit arbeiten könnten. Mein Trikot, das Headset, meine Karten, meine Trillerpfeife – alles lag unverändert in meiner Sporttasche im hintersten Winkel meines Kellers, so, wie sie Rouja in Köln zu Beginn meiner Irrfahrt aus meinem unheimlichen Hotelzimmer geborgen hatte. Ich nahm die Teile wieder in die Hand, ich spürte wieder das Kribbeln, die Faszination – ich hörte den Jubel aus 60.000 Kehlen. Ich stand aber nicht in einem Stadion, sondern in meinem Keller, um etwas loszuwerden, das mir sehr wehtat. Es war der letzte Gruß aus meinem vergangenen Leben – und ein unmissverständliches Zeichen, dass ich nicht mehr dazugehörte. Man hatte mich endgültig ausgeschlossen.
    ■ ■ ■
    Mein persönlicher Abschied vom System Schiedsrichter im Keller hatte mir noch einmal gezeigt, welche traumatischen Erinnerungen die Ereignisse hinterlassen hatten. Ich habe dieses Buch auch deshalb schreiben müssen, um das alles abschließen zu können. Was mir immer noch nicht ganz gelungen ist. Es war ein langer Weg, bis ich erkannte, wie sehr ich ärztliche Hilfe brauchte. Es wird noch ein langer Weg, bis ich wirklich mit allem so weit bin, dass Erinnern nicht mehr schmerzt und ich auch mir selbst wirklich alles verzeihen kann. Mein Verhältnis zu Psychologen, Polizeibeamten und psychiatrischen Kliniken hat sich nicht zuletzt dank der Hilfe von Dr. Hettich deutlich verbessert. Man wird es kaum glauben, aber heute, da ich wieder gesund bin, gehe ich gerne zurück in die Wahrendorff Klinik in Sehnde. Mein Lauftraining mit Marcel Wendt habe ich beibehalten, zweimal die Woche ziehen wir unsere Runden durch die Waldflächen rund um die Klinik – und heute liege ich deutlich unter meiner Jahresbestzeit vom 2. Januar 2012. Ich erreiche schon fast wieder meine Spitzenwerte aus meiner aktiven Schiedsrichterzeit. Ich habe mich auch entschlossen, kranke Menschen in dieser Klinik zu unterstützen, die noch ihren Weg bestreiten müssen, um wieder ins normale Leben zurückzukehren, so wie ich ihn gehen musste. Ich nehme an Fußballturnieren teil, gehe in die Fitnessräume, um mit anderen zu trainieren und ihnen durch mein Beispiel vielleicht Mut zu machen, dass es Heilung geben kann.
    Für mich ist das ein Stück meiner neuen Lebensphilosophie: Sein, um zu sein, statt tun, um zu sein.
    Im Juni 2012 habe ich mein Versprechen bei Rouja eingelöst und die Colaringe aus Blech durch zwei Eheringe aus Gold ersetzt. Die Blechringe werden wir behalten, als Erinnerung, dass manchmal die kleinen, einfachen Dinge wertvoller sind als jeder Ruhm und alles Gold dieser Erde.
    Als die neue Bundesliga im August 2012 ihre 50. Jubiläumssaison eröffnete, war ich nicht mehr integriert in dieser Fußball-Faszination und somit nur noch ein Teil der Bundesliga-Geschichte. Die Bundesliga ist sich in Kooperation mit der Politik und Wirtschaft ihrer hohen gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Daher wurde eine gemeinsame Aktion der Initiative Integration ins Leben gerufen. Die Bundesliga rief alle auf «Geh Deinen Weg« und die Schirmherrin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, ergänzte mit den Worten: »Du kannst es schaffen.«
    Ich wäre noch heute sehr gerne ein Teil dieser phantastischen Bundesliga und somit beschloss ich zumindest ein Stück davon zu leben, indem ich mir vornahm: »Geh Deinen Weg, Du kannst es schaffen.«
    ■ ■ ■
    Acht Monate habe ich mich seit meinem Selbstmordversuche von allen Gesprächspartnern ferngehalten, die mich an mein vorheriges Leben erinnert
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