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"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)

"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)

Titel: "Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)
Autoren: Susanne Mahlstedt
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Hände des Bürgermeisters von Coventry über. Wir legen in der Kathedrale ein Blumengebinde mit der Aufschrift „from the runners of Dresden“ vor dem Kreuz „father forgive“ zu Ehren der Bombenopfer ab.
    Auf dem Zeltplatz Meriden - mitten im Herzen von England - stelle ich fest: Ich mag keinen Kaffee mehr trinken. Was nicht heißt, ich hätte zuvor genug getrunken. Ich kann nicht an Kaffee denken. Und das gibt mir zu denken. Auf unserer Rückfahrt durch den Euro-Tunnel spulen wir im Zeitraffer das Streckenband unseres Laufes zurück, lassen alle Eindrücke, nun aus der Gegenrichtung kommend, nochmals an uns vorbei rauschen.
    Ich kann nicht sagen, dass diese Rückfahrt weniger anstrengend ist als der „Hinlauf“. Ich kann nicht sagen, dass ich nun entlastet bin. Im Gegenteil. Ich habe diese Strecke erlaufen und habe dabei Schritt für Schritt etwas erfahren: So ist mir klar geworden, dass wir einen Läufer mehr in unserem Team haben. Gewiss ein noch sehr kleiner Mitläufer – mein Kind, das ich, ohne es zunächst so recht wahr haben zu wollen, auf dem langen Weg von Dresden nach Coventry mitgetragen habe. Erst jetzt wird mir diese „Tragweite“ so richtig bewusst und ich frage mich: Welche Laufbahn schlägt mein Leben nun ein?
42 195 laufende Meter
     
    Dein Wille
    frisst sich
    durch die Straßen,
    presst den Asphalt in deine Sohlen,
    schraubt dir die Stadt in deine Schenkel.
    In ihren Adern:
    heißes Läuferblut,
    rinnt berlinear durch die Alleen,
    Es brennt der Bordstein,
    dröhnen die Fassaden,
    es regnet Treibstoff,
    hagelt Namen,
    und Schreie schäumen
    zwischen Fußnoten im Takt der Trommeln. -
    So läuft die Stadt durch dich hindurch,
    ihre Essenz bleibt in dir hängen
    wie in einem Sieb,
    pulsiert in allen Muskelfasern,
    und jede Sehne sehnt sich
    dem Tor entgegen.

Ulrike Wilhelm
Warum ich immer laufen werde
    Ich habe eine angeborene vererbte Augenerkrankung, Aniridie. Heute sehe ich auf einem Auge ungefähr zehn Prozent, das andere ist blind, was mich aber nie vom Laufen abhalten wird. Obwohl es mich von der Konzentration sicher mehr Kraft als bei sehenden Läufern kostet und ich sicher auch eingeschränkter trainiere, macht es mir großen Spaß.
    Ich lebe in Thüringens Süden, nahe dem Rennsteig. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Vom zehnten Lebensjahr an trainierte ich das Laufen in einer Leichtathletiktrainingsgruppe. Mit 16 Jahren begann ich auf zehn Kilometer umzusteigen. Inspiriert durch meine Eltern und Schwester. So führte mich mein Vati behutsam an das Ausdauerlaufen. Er war leidenschaftlicher Rennsteigläufer. So steckte er viele Sportler im Freundes- und Familienkreis an.
    Mein Vati begleitete mich von Jugend an bei Trainingsläufen. Später startete auch bei Wettkämpfen mein Ehemann mit uns. Für mich als sehbehinderte Läuferin war das ideal, auch wenn es im Wettkampf dann doch mal um den Familienrekord ging.
    So lief ich so manchen Marathon mit vielen schönen Erlebnissen und Erinnerungen. Natürlich werde ich das auch in Zukunft versuchen. So laufe ich im Mai meinen 15. Rennsteig-Marathon. Dort teilzunehmen ist Familientradition. Für mich ist es eine Herausforderung wegen der Streckenbeschaffenheit. Ich nehme sie aber immer wieder gerne an, weil der Rennsteiglauf für mich ein Stück Lebenslaufgeschichte ist.
    Die Stimmung vor, während und nach dem Lauf ist einmalig. Hm, nun möchte ich eine Geschichte schreiben, bloß welche, bei so viel erlebten?
    Es war Mai 2006. Mein Vati hatte seinen Jubiläumslauf Nummer 30 auf dem Rennsteig. Da nahmen er, mein Mann und ich allen Mut zusammen und stellten uns, wenigstens einmal, einmal an die Startlinie des GutsMuths Rennsteiglauf, Neuhaus am Rennweg. Super stolz und hoch motiviert standen wir da, schunkelten den traditionellen Schneewalzer. Wir bekamen Gänsehaut als die Jubilare begrüßt wurden. Der Hubschrauber kreiste über uns. Und nun sollte es gleich losgehen. Wir zählten runter von zehn.
    Der Startschuss fiel und die Tausenden Rennsteigläuferinnen und Läufer machten sich auf die Strecke von Neuhaus nach Schmiedefeld, 43 Kilometer. Nach dem Startsprint, um wegzukommen, da verschwand rechts neben mir mein Vati plötzlich. Da wir uns angefasst hatten, zog er mich mit runter. Ich konnte mich grad noch im Vierfüßler Stand abfangen. Mein Mann links neben mir war weg, Er lief zwei Meter vor uns. Er bemerkte trotz Startgetümmel unsere Lage und kam zu uns zurück. Ich streckte schnell mein rechtes Bein, schützend über
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