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Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Titel: Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Autoren: Ellen Berg
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weißes T-Shirt. Für ihre fünfunddreißig Jahre war sie noch ganz ansehnlich. Gut, sie war vielleicht ein wenig in die Breite gegangen, aber nicht schlecht proportioniert. Ihr volles dunkles Haar trug sie schulterlang. Und sie hatte noch immer die intensiv leuchtenden grünen Augen, die Werner einst den Kopf verdreht hatten.
    Das war lange her. Obwohl Werner selbst zu Leibesfülle neigte, hatte er dauernd an Vivis Figur rumgemeckert. »Du, das Geschwabbel kann man neuerdings auch mit Strom wegzappen«oder »Nicht alles, was wächst, ist gutartig« waren noch die netteren Kommentare gewesen. Männer eben. Konnten vor lauter Bierbauch ihre eigenen Füße nicht mehr sehen, stellten aber Ansprüche, als hätten sie eine Miss Universum verdient.
    Sie stöhnte auf. Unter ihrer Schürze verbarg sich ein verwaister Körper. Werner hatte sie irgendwann nicht mehr angerührt. Und sie hatte die ehelichen Pflichtübungen auch nicht sonderlich vermisst. Wie denn? Das bisschen Gerödel zwischen Spätnachrichten und Schnarchkonzert war nicht gerade das gewesen, was eine Frau insgeheim erträumt. Die Wahrheit hätte niederschmetternder nicht sein können: Sie war Mitte dreißig und seit Jahren ein erotisches Neutrum.
    Nachdenklich betrachtete sie die bräunlich tapezierten Wände, die Nussbaumschrankwand, die Stehlampe mit den Troddeln, den Ohrensessel, in dem Werner immer Zeitung las. Gelesen hat, korrigierte sie sich innerlich. Entsetzt sprang sie auf. Im Zimmer nebenan lag eine Leiche! Die Leiche ihres Mannes!
    Vivis Magen krampfte sich zusammen, als sie zurück ins Esszimmer ging. Sie schaltete den Kronleuchter an, und nun traf sie der Anblick des Desasters in aller Schonungslosigkeit. Werners Augen standen immer noch weit offen. Die Augäpfel waren zur Zimmerdecke hin verdreht, als hätte er im Moment seines Ablebens nachgeschaut, ob sich auch die Himmelstür für ihn öffnete. Es sah grässlich aus.
    Sie hatte mal irgendwo gelesen, dass man Toten mit sanfter Geste die Augen schließt. Aber sie war nicht in der Lage dazu. Fassungslos musterte sie das verzerrte Gesicht, den reglosen Körper, die schlaff herunterhängenden Arme. Dieser Mann,der aussah, als wäre er in seiner eigenen Bratensauce ertrunken, war ein völlig Fremder. Sein Anblick gruselte sie. Um nichts in der Welt hätte sie ihn angefasst.
    Während ihr ein Schauer nach dem anderen über den Rücken lief, wanderte ihr Blick zum Pfefferstreuer. Den musste sie schleunigst entsorgen, so viel stand fest.
    Missbilligend schüttelte sie den Kopf. Hätte Werner sich an ihre Regel gehalten, bei Tisch nicht nachzuwürzen, säße er jetzt vor seinem geliebten Fernseher. Aber er hatte die Regel gebrochen. Hatte heimlich den ollen Pfefferstreuer aus der Küche stibitzt, eine Extraportion Sauce nachgeladen und sich ins Nirwana gebeamt. Was für eine grausame Strafe.
    Vivi zog die Gardinen zu. Die Nachbarn in der Reihenhaussiedlung starben vor Langeweile und deshalb vor Neugier. Nicht selten hatte Vivi erlebt, dass jemand draußen auf dem Weg stehen blieb und ungeniert durch ihre Fenster starrte. Viel Abwechslung gab es ja auch nicht hier. Der Baumarkt nebenan, der Supermarkt ein paar Straßen weiter, davor eine trostlose Imbissbude, das war alles. Ein typischer Vorort eben.
    Nachdem sie noch die Jalousien heruntergelassen hatte, nahm Vivi den Pfefferstreuer, ging damit in die Küche und warf ihn in die Abfalltonne. Die Dose mit Rattengift flog gleich hinterher. Dann nahm sie den Müllbeutel und öffnete die Verbindungstür, die direkt von der Küche zur Garage führte. Zögernd blieb sie stehen. Werners dunkelblauer Mercedes war sein Allerheiligstes. Tja – gewesen. Er liebte Dumpfsprüche über Frauen, die nicht einparken können, deshalb hatte er Vivi den Wagen immer nur unter größtem Protest überlassen.
    »Sorry, Werner, ich brauch die Karre«, flüsterte sie, als sie einstieg.
    Sie war ein bisschen aus der Übung. Deshalb brüllte der Motor wie ein angeschossenes Tier auf, als sie mit einem Kavalierstart aus der Einfahrt rauschte.
    Wie wohltuend es doch war, nicht von Werners üblichen Kommentaren belästigt zu werden: »Wusstest du, dass Frauen in Saudi-Arabien nicht Auto fahren dürfen? Na, die Saudis werden schon wissen, warum.« Oder: »Wieso guckst du zu Hause dauernd in den Spiegel, und beim Autofahren vergisst du es?« Sie konnte Werners entnervte Stimme förmlich hören. Die Krönung war gewesen: »Man sollte nicht schneller fahren, als man denken kann. Also
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