Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
aus Higuera eintraf. Er ordnete an, dass der Leichnam sofort ins Krankenhaus überführt werden solle. Dort war er es dann auch, der die Journalisten in Schach hielt und zweien unter ihnen - Brian Moser und Richard Gott - drohte, er werde sie aus der Stadt weisen lassen. Seine Machtbefugnisse waren fast unbeschränkt. Befehle, die er gegeben hatte, konnten nur vom Chef der Armeestreitkräfte widerrufen werden.
Die Menschenmenge vor dem Krankenhaus wuchs von Minute zu Minute. Die Leute drängten sich aufgeregt und wütend gegen die bewaffneten Wachen, als der Oberkommandierende der Streitkräfte vorfuhr. General Ovando sprach kurz zu der Menge. Unter anderem sagte er: »Jeder hat ein Recht darauf, ihn zu sehen. Aber geduldet euch, bis die Identifizierung der Leiche abgeschlossen ist.«
Diese Worte beruhigten die Leute.
Der Tote lag in der Waschküche mit offenen Augen da. Die geöffneten Lippen schienen fast spöttisch zu lächeln und etwas sagen zu wollen. Der Gesichtsausdruck war sonst aber eher streng. Die olivgrünen Hosen zeigten die Spuren harter Märsche. Die Füße steckten in dünnen Socken aus grüner Wolle und in Marschstiefeln.
Der Körper wies acht oder neun Einschüsse auf. Am Hals, in der Brust und an den Extremitäten.
Nachdem die Leiche hergerichtet worden war, erfüllte General Ovando sein Versprechen.
Über lange Zeit ziehen die Menschen an dem Toten vorbei. Ihre Blicke verrieten Trauer und Betroffenheit.
Am 9. Oktober 1967 trafen die ersten Meldungen über den Tod Che Guevaras in den USA ein. Am Morgen des 10. Oktober betrat John Gerassi, Dozent, ein Klassenzimmer im San Francisco State College, um dort einen Kurs über Nationalismus und Revolution in der Dritten Welt abzuhalten.
Ein neunzehnjähriges Mädchen kam auf ihn zu. Sie war den Tränen nahe und auf der Brust trug sie ein Abzeichen mit der Inschrift Mache Love - Not War. »Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte sie, »ich meine, ich kann es einfach nicht glauben, dass er tot sein soll.«
»Natürlich«, so berichtet Gerassi, »sprachen wir in dieser Stunde über Che, seine Vorstellungen vom Guerillakrieg und von seinem persönlichen Einsatz. Keiner glaubte es zu diesem Zeitpunkt wirklich - keiner von den 60 Studenten in der Klasse, und ich auch nicht -, dass er tot sei. Und was vielleicht am erstaunlichsten war - wir weigerten uns einfach, es zu glauben.
Meines Wissens gab es in dieser Klasse keine Konservativen. Aber es gab viele Liberale und viele Pazifisten neben den eigentlich Radikalen. Und doch war für alle, auch wenn sie im einzelnen mit seinen Ansichten nicht übereinstimmten, die Nachricht von Ches möglichem Tod etwas, das sie aufregte und sehr persönlich betraf. Dieser Mann hatte offenbar ihre Vorstellungskraft gefangen genommen. Sie achteten und bewunderten ihn. Sie wussten sehr wenig über sein Leben - wir hatten das in der Klasse noch nicht besprochen. Aber sie wussten genug, um sich klar zu machen, er war ein Idealist, ein Mann, der für andere Menschen gelebt hatte, ein Mann, der, wenn die Nachricht zutraf, für andere gestorben war, für Menschen, die er nie gesehen hatte, für die Ausgebeuteten, die Entfremdeten, für jene, die ahnen, vielleicht nur instinktiv, dass sie bloße Werkzeuge der Gesellschaft sind, Werkzeuge der Gierigen und der Mächtigen in der Gesellschaft, denen es auf menschliche Wesen wenig ankommt. Und so wurde mir klar, als wir an diesem Tag redeten, dass diese liberalen und pazifistisch gesinnten Studenten unglaublicher Weise spürten, Che sei auch für sie gestorben.«
Präsident Barrientos hatte dem eine Prämie von 50.000 bolivianischen Pesos versprochen, der Che Guevara lebendig oder tot fange - vorzugsweise lebendig, wie es in den Flugblättern geheißen hatte.
Da die Bauern von Higuera der Armee den entscheidenden Wink gegeben hatten, entschied Barrientos, dass ihnen die Belohnung in einer besonderen Feier an Ort und Stelle übergeben werden sollte.
Der ganze Ort war auf den Beinen, um bei der Ankunft des Staatsoberhauptes mit dabei zu sein.
Barrientos hielt eine Rede, in der er die Verdienste der bolivianischen Bauernschaft im Kampf gegen die Guerilleros hervorhob. Er forderte dann seine Zuhörer auf, eine Person zu bestimmen, die das Bargeld in Empfang nehmen sollte. Die Wahl fiel auf Pater Schaller, den Gemeindepriester von Pucara. Der Präsident gab ihm ein Bündel Geldscheine und setzte dann seine Ansprache fort.
Als die Rede zu Ende war, bat Schaller um das Wort. Er
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