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Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)

Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)

Titel: Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
Autoren: Frederik Hetmann
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Lumpenpack!« rufen ihnen die anderen nach.
    Er schlägt sich für das Lumpenpack. Er verschenkt Frühstücksbrote an Kinder aus dem Baldio. Um sie nicht zu demütigen, schiebt er die Brote heimlich unter ihre Bank. Er kann sich vorstellen, wie das ist, anders zu sein. Er ist auch nicht so, wie die meisten Kinder aus der Nachbarschaft, weil er oft krank ist. Manche Mütter verbieten ihren Kindern, mit ihm zu spielen, weil sie Ansteckung befürchten. Andere Kinder ekeln sich, wenn Ernesto nach seinen Anfällen Schleim ausspucken muss.
    Er stellt sich das Leben in den Baldios als eine ständige, ekelhafte Krankheit vor. Er träumt von einem Bündnis zwischen den Kindern der Armen und sich. Nur ist es schwierig, mit ihnen zusammenzukommen, außer in der Schule, und dort sitzen diese Kinder getrennt von den anderen. Einmal ist er allein hinaus in die Baldios gegangen und hat versucht, Rio, seinen Klassenkameraden, zu treffen. Ein Gewirr von zusammengeflickten Buden, Hütten, Wellblechbaracken, eine Kraterlandschaft. Erdlöcher, über die Säcke gespannt sind. Halbnackte Kinder, die sich um eine rostige Konservenbüchse balgen. Frauen, die vor ihren Behausungen hocken und apathisch vor sich hinstarren. Gestank. Fliegenschwärme.
    Er hat Rio nicht getroffen. Die Menschen, die er gefragt hat, haben ihn seltsam gemustert, so, als wollten sie sagen: Was hast du hier verloren? Er könnte den Lumpenkindern helfen, wenn ihre Banden im Sommer in die Oberstadt heraufkommen und versuchen, in den Gärten Obst zu stehlen. Mr. Harrow, der englische Ingenieur, der zwei Häuser weiter wohnt, hat einmal mit einer Schrotflinte nach einer Bande der Lumpenkinder geschossen. Eines ist verletzt liegengeblieben. Die Polizei ist gekommen und hat es ins Gefängnis gebracht. Rio hat erzählt, der Junge sei dort gestorben, weil die Polizisten es nicht für nötig befunden haben, einen Arzt zu rufen. Die Lumpenkinder haben gestohlen!
    Darf man stehlen, wenn man Hunger hat?
    Wie ist das, Hunger zu haben?
    Ernesto in seinem Bett denkt sich aus, er sitze dort im Garten der Harrows hinter den Sträuchern, und noch ehe der Engländer abdrücken kann, treffe ihn ein Stein aus Ernestos Schleuder ins Gesicht. Ein kleiner Stein, der ihn nur erschreckt, damit die Lumpenkinder Zeit haben, so viele Äpfel abzupflücken, wie sie wollen.
    Im nächsten Sommer wird er es so machen. Bis zum nächsten Sommer ist noch eine lange Zeit. Aber etwas anderes könnte er tun. Er wird nur noch in seinen ältesten Hosen und Hemden herumlaufen. Dem Vater wird das gleichgültig sein; der Mutter kann er erklären, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass er für die Lumpenkinder kämpfen will.
    Vielleicht, dass sich Mr. Harrow darüber aufregt und den Vater deswegen anspricht. Da würde er aber schön abfahren ... so wie der Priester, der ins Haus gekommen ist, um darüber Klage zu führen, dass keines der Guevara-Kinder zur Messe geht.
    Der Vater hat zu dem Priester gesagt: »Ich bezweifle keinen Augenblick, dass Jesus der beste Mensch gewesen ist, der je auf Erden gelebt hat. Aber die Kirche hat seine Lehre ruiniert. Die Kirche ist das größte Geschäft, das je von einem Juden gegründet und von Italienern geleitet worden ist.«
    Der Priester hat seinen komischen Hut genommen und ist ohne ein Wort der Erwiderung und ohne einen Gruß gegangen.

Erfahrungen
    »Don Manuel Santamarin IV gibt sich die Ehre, die Söhne und Töchter seiner verehrten Freunde anlässlich des 14. Geburtstages seines Sohnes Juan zu einem Empfang zu bitten. Die Geburtstagsfeier findet im Großen Salon des Sierra Hotels statt.«
    Don Manuel hat ausdrücklich Wert darauf gelegt, dass die Kinder bei dieser Gelegenheit eine Vorstellung davon bekommen sollen, wie es auf den Festen der Erwachsenen zugeht. Fünf, sechs Jahre hin, und sie werden sich auf dem glatten Parkett in den Häusern der großen Familien in der Hauptstadt mit Sicherheit bewegen müssen.
    Die Väter feiern mit Don Manuel im an den Salon angrenzenden Raucherzimmer. Die Mütter sind daheim geblieben. In der Mitte des Salons steht ein schwerer, langer Eichentisch mit der sich hoch auftürmenden Geburtstagstorte. Zwischen den beiden Flügeltüren, die auf die Terrasse hinausführen, ist ein kaltes Büfett aufgebaut. In einer Ecke, auf einem Podest, haben Gitarrenspieler in der Tracht der Provinz Aufstellung genommen. Zu beiden Seiten des gerafften Vorhangs, der den Raum gegen die Vorhalle des Hotels abschließt, steht je ein Reitknecht des Hauses
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