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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Autoren: Ali Knight
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liegt, und erkenne alles: das zusammenschiebbare Lichtschwert, den Stift mit der Knochenhand am oberen Ende, den Radiergummi aus der Tate Gallery. Dann streift meine Fingerspitze etwas Rauhes. Das ist der Ziegel. Von oben sind dumpfe Schläge zu hören, da versucht Paul mit neuer Kraft, die Tür doch noch einzutreten.
    Ich bin so gut wie tot und trotzdem völlig ruhig; meine ganze Konzentration richtet sich darauf, diesen Ziegel zu fassen zu kriegen. Portia setzt alles daran, mich umzubringen. Ihr Gesicht ist rot vor Anstrengung, und aus dieser Nähe erkenne ich an ihrer Nase feine rote Äderchen. Es ist das erste Mal, dass mir an der perfekten Fassade ein kleiner Makel auffällt, und das verleiht mir neue Kräfte. Ich ziehe den Ziegel mit dem Zeigefinger ein Stück zu mir heran, dabei rollt eine Murmel von dem Häufchen auf die Schreibtischplatte. Portia horcht auf, dreht kurz den Kopf, und ich treffe mit dem Stein ihr Gesicht von der Seite, wobei bunte Murmeln auf uns niederregnen.
    Sie schreit auf und lässt das Messer fallen. In dem Moment kann ich sie wegstoßen und zu der Tür laufen. Mir fällt ein, wie ich nachts aus Pauls Büro flüchten wollte und mit einer Tür zu kämpfen hatte, die zur falschen Seite aufging. Damals habe ich mit Schatten gerungen; jetzt sind die Schatten real geworden, und ich weiß, wer der Feind ist. Dieser Fehler wird mir kein zweites Mal unterlaufen.
    Ich bin im Flur und greife nach dem Schlüssel, als mich der Ziegel von der Seite erwischt. In meinen Rippen explodiert Schmerz, ich taumele gegen die Wand.
    »Mach die Tür auf!«, schreit Paul.
    Ich habe den Schlüssel in der Hand, aber jeder Atemzug, jede Bewegung tut unfassbar weh. »Weg da, Kate.« Portia schwenkt ein Feuerzeug.
    Siegesgewiss nähere ich mich dennoch der Tür. »Es ist gar nicht sicher, dass das Haus in die Luft fliegt, und das weißt du genau.« Ich spüre den Wind, der frische Luft durch das kaputte Fenster weht. Ich lasse es drauf ankommen und stecke den Schlüssel ins Schlüsselloch.
    »Willst du das mit Ava riskieren?«
    Ich erstarre in der Bewegung. Sie kommt näher, hält das Feuerzeug hoch. »Feuer kann ein junges Mädchen sehr verunstalten. Geh da weg!«
    »Mach die Tür auf!«, brüllt Paul.
    Ich kann es nicht. Damit könnte ich nicht leben. Ich kann nicht riskieren, dass es so kommt, wie sie sagt. Langsam bewege ich mich rückwärts wieder auf Joshs Zimmer zu.
    »So ist es besser. Je eher du einsiehst, wer hier das Sagen hat, desto wahrscheinlicher wird es, dass deine Kinder ihr Leben leben können.«
    »Wo ist sie?« Portia schüttelt den Kopf. »Wo ist meine Tochter? Warum tust du das?«
    »Weißt du, was es für ein Gefühl ist, wenn man in eine Sache dreißig Jahre investiert hat? Nein, das weißt du nicht. Es heißt, die Familie bleibt ewig, Kinder sind ein Lebenswerk. Aber Kinder leben – wie lange? – zwanzig Jahre bei ihren Eltern. Mein Arbeitsleben dauert jetzt fünfzig Jahre. Die Arbeit ist meine Familie, Kate. Das war meine freie Entscheidung, und ich habe sie keine Sekunde bereut. Ich werde nicht zusehen, wie das, was ich mir geschaffen habe, durch einen schlecht aufgesetzten Vertrag kaputtgemacht wird. Dazu wird es schlicht und einfach nicht kommen.«
    »Du bist verrückt.«
    Sie macht einen Schritt auf mich zu, das Feuerzeug dicht vor ihrem Gesicht. »Wie gesagt, du kapierst es nicht. Es kommt immer auf die Perspektive an. Das ist mein Leben. Ich werde darum genauso hart kämpfen wie du um deins. Das ist klug und tapfer – nicht verrückt.«
    »Ich habe dir nichts getan!«
    »Die Welt ist voller Opfer, fürchte ich. Nimm’s nicht persönlich, hier geht es nur ums Geschäft.«
    »Geschäft? Deshalb bringt man doch niemanden um!«
    »Weißt du was?« Sie beugt sich vor. »Das dumme Gerede der Leute, die sagen: ›Ich werde mir auf dem Sterbebett nicht wünschen, ich hätte mehr gearbeitet‹, kann ich nicht mehr hören. Das ist jämmerlich. Die Arbeit ist mein Leben, Kate. Ich liebe sie! Genau wie Paul sie liebt. Ich lebe für den Status, das Geld, das Ansehen, den Ruhm und, ja, auch die Angst, die mit der Macht einhergeht. Glaubst du im Ernst, ich würde zulassen, dass eine Winzfirma wie Forwood, die von jemandem wie Lex geführt wird, mir das alles nimmt? Meinst du, ich könnte es akzeptieren, dass Lex in meine Chefetage stolziert und darauf besteht, das Kommando zu übernehmen? Dass er mir zu einem Zeitpunkt, an dem meine Firmenanteile kaum mehr wert sind als damals, als ich sie
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