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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Autoren: Ali Knight
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ihm einen Stoß gegen die Brust. »Erklär mir, was hier los ist!«
    Mein Mann schaut mich an. Seine umwerfenden braunen Augen sind vom Weinen gerötet. »Was für ein Chaos. Was für ein Riesenhaufen …« Er seufzt aus tiefster Seele. »Verdammt, Kate, ich liebe dich!« Und mit diesen Worten fällt er an mir vorbei auf den Boden, in ein Koma, aus dem ihn kein Knuff, kein Stoß und kein Schrei erwecken können.
    Zumindest eins kapiere ich: Paul ist betrunken. Sternhagelvoll muss er sein. Es gäbe sicher vieles, was ich jetzt tun könnte, aber zuallererst muss ich pinkeln. Ich sitze auf der Toilette und betrachte den riesigen Körper meines Mannes, wie er da auf dem Boden liegt – die Füße nach innen verdreht, die Handflächen nach oben, als absolviere er eben schnell eine Yogaübung. Dass er es fertiggebracht hat, sich in diesem Zustand hinters Steuer zu setzen, lässt mich vor Zorn beben. Ich packe ihn an den Schultern und schüttele ihn, aber er rührt sich nicht. Spontaneität ist meine Sache nicht; ich muss planen, mich vorbereiten können. Eine Situation wie diese habe ich mir nie vorgestellt, und ich bin vollkommen ratlos, starr vor Schreck angesichts der zahllosen offenen Fragen. Unter heftigem Zerren gelingt es mir schließlich, Paul auf den Rücken zu drehen und ihm den Mantel abzustreifen, wobei ich ihn aufmerksam nach einer Wunde absuche. Dass ich keine finde, erfüllt mich mit erbärmlicher Dankbarkeit; ich kann nämlich kein Blut sehen. Eine Weile bleibe ich neben ihm hocken und starre ihn an. Die festen Linien seines schönen Gesichts sind einer verquollenen Masse gewichen, das energische Kinn hängt schlaff herunter. Paul schnarcht im Takt seines sich hebenden und senkenden Brustkorbs. Im Haus ist es still, meine Kinder schlafen und wissen von nichts. Das laute Ticken der Küchenuhr begleitet sein Schnarchen. Der Kühlschrank summt, und ein Fensterflügel klappert. Alles im Haus fällt zurück in den nächtlichen Modus. Um 3:50 Uhr erhebe ich mich. Wellen von Müdigkeit schlagen über mir zusammen. Mir fällt nichts Besseres ein, als ins Bett zu gehen. Irgendwann wird er schon aufwachen.

2
    E ine gefühlte Sekunde später bohrt sich eine kleine Faust in meinen Bauch.
    »Ava! Nicht doch!«
    Meine Tochter krabbelt auf mich.
    »Lass mich rein, Mami«, bettelt sie und bringt einen Schwall eisiger Luft mit in den warmen Mief unter der Decke. Normalerweise genieße ich es, wenn meine Vierjährige zum morgendlichen Kuscheln zu mir kommt, wenn ich ihre makellos glatte Haut spüre, die kalten Füßchen, die sich gegen meinen Rücken stemmen, aber jetzt ist es zehn nach sieben, ich habe Kopfschmerzen, und es fühlt sich an, als hätte ich Sand in den Augen. Paul ist nicht da. Die aufblitzende Erinnerung lässt mich ruckartig hochfahren. Mein Herz rast.
    »Mir ist kalt, Mami!«
    Ich fasse es nicht: Wie konnte ich meinen Mann in diesem Zustand unten liegen lassen und weiterschlafen? Entsetzt sehe ich seinen reglosen Körper vor mir und dann Josh, wie er über ihn hinwegsteigt, um den Comic-Kanal einzuschalten. Ich springe auf.
    »… Papa liegt auf dem Sofa. Er versteckt sich unter einer Decke.«
    Ich stolpere hinüber zum Sessel und ziehe meinen Morgenrock an. Ava kratzt sich den blonden Schopf. »Mama? Kann Phoebe zum Spielen kommen?« Ohne sie weiter zu beachten, stürme ich zur Tür. Es ist an der Zeit rauszufinden, was letzte Nacht eigentlich los war.
    Im Wohnzimmer ist Paul nicht. Ich treffe ihn in der Küche an, wo er, eine Tasse Tee in der einen, eine Scheibe Toast in der anderen Hand, am Tresen lehnt. Er ist angezogen und rasiert und redet mit Josh, der sich über seine Müslischüssel beugt. Mein Mann sieht vollkommen normal aus. »Hier, ich hab dir auch einen gemacht.« Lächelnd hält er eine dampfende Tasse hoch. Ich erwidere das Lächeln nicht, sondern verschränke in einer »Komm mir nicht so«-Geste die Arme. Er stellt die Tasse ab, lässt das Grinsen sein.
    »Was war heute Nacht …?«
    »Nichts.«
    »Das war nichts? «
    »Ich war betrunken und sentimental, weiter nichts.« Er zuckt die Achseln, um die Sache herunterzuspielen.
    Ich kneife ungläubig die Augen zusammen. »Aber du hast gesagt, du …« Beide schauen wir hinüber zu Josh, um zu sehen, ob er lauscht. Ich brauche das Wort nicht auszusprechen. Ich weiß nicht einmal, ob ich es könnte, »getötet« – angesichts der Sonne, die durchs Fenster scheint, und der Radiomeldungen über einen Stau auf der M25 erscheint mir das
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