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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Autoren: Peter Messner
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Schatten und besuche extra wegen ihr nach 20 Jahren mal wieder die Niederlande. Amsterdam soll ja doch ganz schön sein…
    Wenn zu Babel siebzig Jahre aus sind, so will ich euch besuchen und will mein gnädiges Wort über euch erwecken, daß ich euch wieder an diesen Ort bringe. Jeremia 29.10

43. Tag in Santiago
    Heute steht natürlich noch der Besuch der Pilgermesse und des Grabes des Heiligen Jakobs in der Kathedrale an. Das muss selbst für ein überzeugtes Heidenkind wie mich sein - nach sechs Wochen Dasein als Jakobspilger. Schließlich interessiert mich schon, was die steinernen Schiffe vor mehr als tausend Jahren denn nun hierhergeschafft haben. Genau hier, unter dem schönen, nächtlichen Sternenzelt Galiciens, dem "Compostela", wurde der Santiago mit seiner eigenen Kathedrale geehrt. Wer kann das schon so von sich behaupten? Wie hatte der protestantische Peter aus Finnland vor wenigen Tagen so schön geflötet: „Sind wir hier nicht alle ein bisschen katholisch?“ Sind wir.
    In einem kleinen, von Gold überzogenen Verschlag hinter dem Hauptaltar gilt es, als Abschluss der Pilgerei die Jakobsfigur von hinten zu umarmen oder sonstwie zu herzen. Vorn schaut der Gute ins Hauptschiff hinaus. Ich muss grinsen, als ich in der Schlange an der Reihe bin, denn unterwegs hatte ich mir einen Spaß daraus gemacht, dem wenig kirchenfreundlichen Martin bildhaft zu erklären, dass er hier, an dieser Stelle, Jakobs Südpol küssen müsse, den er einem wie ein klein bucklig Männchen entgegenstreckt. Martin war empört, dass diese Kirche voller Kinderschänder, weiblicher Päpste und finsterer lateinischer Ritennun auch noch seine Gläubigen mit so einer Demütigung konfrontiere! Ich tätschle der Büste des Heiligen leicht die Schulter, werfe seinem verlängerten Rücken lächelnd meinen Kuss zu und erinnere den Guten an seine Wunderpflichten für Menschen, denen es schlecht geht. Ich habe nichts dagegen, wenn es hilft.
    Martin mailt mir später, dass er erst an Jakobs Rückseite erkannt hatte, dass ich ihn mit dem demütigen Kuss auf Jackos Allerwertesten gründlich auf den Arm genommen hatte. Leonie erzählt uns aber in Santiago glucksend, dass sie während ihrer Pilgermesse die ganze Zeit daran denken musste, dass die Leute, die vor ihren Augen im Jakobs-Verschlag verschwanden, allesamt einer nach dem anderen seinen Arsch küssten. Sie habe mit Tränen in den Augen größte Mühe gehabt, nicht dauernd loszuprusten. Von dem einen oder anderen Heiligen-Anwärter um sie herum muss sie sich dafür verdrießliche Blicke gefallen lassen.
    Wir haben das Glück, dass während unserer -zugegebenerweise schrecklich langatmigen - Messe auch das berühmte Weihrauchfass „Botafumeiro“ geschwenkt wird. Der Apparat hängt seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts von der hohen Kathedralendecke und wird von Priestern mit einem langen Seil wie eine Glocke Zug für Zug in Schwung gebracht. Mit gewaltigem Tempo saust das Fass qualmend hin und her durch die Seitenschiffe. Wer ganz vorne im Rauch sitzt, siehtschon nach ein paar Minuten bunte Farbkreise und spürt seine Arme und Beine nicht mehr. Eigentlich soll der rasende Weihrauch ja nur bei „besonderen Anlässen“ in Schwung gebracht werden, heißt es. Aber wenn wir schon mal hier sind…
    Eine Nonne sorgt vor der Messe und währenddessen zumindest für ein bisschen Stimmung: Sie singt Solostücke und wir alle in der voll besetzten Kirche singen die Refrains. Wie eine Anheizerin im Fernsehstudio hatte sie das zuvor erstaunlich unerbittlich mit uns geübt, bis der Moderator im Bischofsgewand die Bühne betrat. Seine langatmige Predigt in Spanisch erinnert mich ein bisschen an die manchmal rührend hilflosen Versuche der Wirte in den Restaurants, ihre Speisekarte verständlich zu machen. Ich verstehe kein Wort - ist mir aber auch egal. Ich habe jetzt Freunde in Kanada.
    Ende

Nachtrag
    Martin erreicht Santiago aus Galicien heraus nur mit dem Bus, weil ihm die knapp geplante Zeit davonläuft. Auf seine Pilgerurkunde verzichtet er damit. Das Stück Papier bedeutet ihm nach fast 700 Pilgerkilometern aber nichts. Er weiß selbst, was er geleistet hat und nimmt für seine Arbeit als Therapeut viele Erfahrungen vom Jakobsweg mit in seine Heimat Kanada. Nur ein paar Wochen nach der Heimkehr tut Jakob sein erstes gutes Werk an ihm. Eine attraktive junge Dame, die er kurz vor dem Camino bei Freunden getroffen hatte, erkundigt sich nach seinen Erlebnissen. Ein paar Erzählabende am kanadischen
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