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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Autoren: Peter Messner
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Überblick verloren zu haben.
    Als wir dann ankündigen, bezahlen zu wollen, kommt der Höhepunkt der laienhaften Comedyshow: Jetzt wird uns auch klar, warum nichts abgeräumt wird: Anhand des gebrauchten Geschirrs versucht der clevere Kellner nun, unsere Bestellungen nachzuvollziehen und eine Rechnung zu erstellen. Das gelingt nur teilweise. Er hat weder eine Ahnung davon, was wir gegessen haben, noch was die Speisen jeweils kosten und rechnet komplette Grütze zusammen. Zudem moniert er, dass wir die zum Pilgermenü servierte Weinflasche ausgetrunken haben. Da hätte uns - so seine recht einsame Meinung am Tisch - nur die halbe Flasche zugestanden. Unsere anfängliche Belustigung über den wirren Laden weicht langsam dem Verdacht, dass man hier gelegentlich beschissen wird - undwir beschließen, ein wenig formaler aufzutreten. Wieder verlässt der Kassier unseren Tisch, um sich an der Ausgabe beraten zu lassen. Schließlich wird die Endsumme der mutmaßlichen Rechnung -schriftlich kriegen wir übrigens gar nichts - drei Mal nach unten korrigiert. Wir bezahlen am Ende sogar weniger als auf der Karte steht. Schon besser, aber trotzdem unseriös. Rechnen kann der gute Geist der Pulperia nämlich auch nicht. Der Laden wäre wohl ein gefundenes Fressen für das Finanzamt. Pilgern ist keine Butterfahrt .
    Was soll dem Narren Geld in der Hand, Weisheit zu kaufen, so er doch ein Narr ist? Sprüche 17.16

41. Tag von Arzua nach Pedrouzo
    Nur noch zwei Tage bis Santiago! Was habe ich jetzt eigentlich in den vergangenen sechs Wochen zu Hause verpasst? Offensichtlich nichts, was sich nicht auch in drei Wochen oder eben nie nachholen ließe. So wichtig bin nun auch wieder nicht.
    Durch herrliche, duftende Eukalyptuswälder geht es heute 20 Kilometer weit durch das sommerliche Galicien. Die alten, hohenEukalyptusbäume sind kerzengerade gewachsen. Die Rinde hängt ihnen in Fetzen vom Stamm. Ein besonderer Anblick. Die Blätter duften wie eine Portion Badeschaum.
    Auch heute sind unter der warmen Sonne Nordspaniens teilweise wieder viele Touripilger mit Minirucksack unterwegs. Das ist hier, kurz vor Santiago, leider Teil des Camino.
    Abends gibt es dann in Pedrouzo wieder einmal eine Kostprobe schräger Pilgerzitate: Ein älterer Mann am Nachbartisch hält philosophische Vorträge vor zwei andächtig zuhörenden Neupilgern. „Der Camino fängt ja erst dann an, wenn du zuhause bist“, fabuliert er mit ernster Miene. Da krieg ich schon vom Zuhören Migräne. Was meint der gute Mann mit seinen symbolschwangeren Worten nur? Die große Wäsche nach der Reise, das Abarbeiten der aufgelaufenen E-Mails oder gar das Sortieren der Kreditkartenrechnungen?
    Seine ergriffenen Zuhörer, die offensichtlich schwer beeindruckt von der Couch-Esoterik sind, beschweren sich als nächstes bei ihm darüber, dass kaum Deutsche unterwegs seien, denn: „Wir sprechen jetzt nicht so gut Englisch.“ Tja, eine gute Voraussetzung wäre es ja schon, sich in der Weltsprache wenigstens verständigen zu können. Wir sind nun mal nicht in der Pfalz, sondern in Spanien. Und gut 90 Prozent der Pilger um uns herum sind doch tatsächlich „Ausländer.“ Pilgernist manchmal einfach ungerecht.
    In der schönen Pension, die uns heute Nacht Obdach bietet, lernen wir noch ein älteres Ehepaar aus dem flämischen Teil Belgiens kennen. Auch diese Caminogeschichte lässt einen ein bisschen staunen: Die Frau ist seit Wochen mit einem von ihr selbst und einem spanischen Arzt vermuteten Bänderriss unterwegs! Sie ist eines Morgens im Dunkeln in ein Loch im Weg getreten und umgeknickt. Nun schickt das Paar jeden Tag sein Gepäck mit dem Taxi voraus, denn das schaffen sie mit ihrer Humpelei nun doch nicht mehr.
    Warum die Frau mit dem alarmierend dicken Haxen auf dem Jakobsweg herumhinkt, anstatt in einem guten belgischen Krankenhaus mögliche Dauerfolgen der Verletzung verhindern zu lassen, bleibt ihr Geheimnis. Es gab ja schon einige Mitpilger zu bewundern, die sich aus unerklärlichen Gründen offensichtlich bis aufs Blut selbst bekämpfen, aber ein mutmaßlicher Bänderriss ist schon eine spezielle Selbstgeißelung. Pilgern ist manchmal gruselig .
    Dem Ross eine Geißel und dem Esel einen Zaum und dem Narren eine Rute auf den Rücken! Sprüche 26.3

42. Tag von Pedrouzo nach Santiago. Und Schluss mit der Pilgerei.
    Morgens wandert das erste meiner zwei verschlissenen Sockenpaare in den Mülleimer. Das hat etwas Befreiendes, die Last der vergangenen sechs Wochen
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