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Ich greife an

Ich greife an

Titel: Ich greife an
Autoren: Iwan Koshedub
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die auf der Wiese standen, beobachteten dabei die Kälber und achteten darauf, daß sie nicht auf die Äcker rannten und sich an der Saat gütlich taten. Gerieten sie aber doch dorthin, sparten wir nicht mit Schlägen. Waren wir einmal des Hütens überdrüssig, so sprangen wir den Kälbchen auf die Rücken und ritten nach Herzenslust.
    Im Winter fuhr ich mit Vater ins Holz. Er hackte trockene Äste ab, die ich zum Schlitten schleppte. Oft warnte er: „Paß auf, sei vorsichtig, damit du dir nicht in die Augen stichst!"
    Ich arbeitete tüchtig und durfte als Lohn dafür während der Heimfahrt auf der Fuhre sitzen. Zu Hause schichtete ich die Äste kreuzweise übereinander, da sie nun erst austrocknen mußten.
    Morgens schälte ich die Kartoffeln für die gesamte Familie und fegte die Stube. Im Winter wischte ich stets das Wasser von den Fensterbrettern, damit diese nicht faulten. Vater sah täglich nach, ob sie auch trocken waren.
    Unsere Straße, die auf der einen Seite nicht bebaut und daher dem Winde preisgegeben war, wurde stark vom Schnee verweht. Ich grub im Hof kleine Wege - von der Vortreppe zum Tor, zur Scheune und zum Keller.
    Wenn meine Freunde kamen und mich zum Spielen riefen, konnte ich manchmal das Verlangen, alles stehen- und liegenzulassen und auf die Straße zu laufen, kaum bezwingen.
ICH KOMME IN DIE SCHULE
    Ich lernte lesen, ohne es selbst zu merken. Nachdem ich tagsüber umhergelaufen war, gespielt und gearbeitet hatte, saß ich abends am Tisch, sortierte „Papierchen" - Pralinenumhüllungen - und fand dabei bekannte Buchstaben.
    Ich saß still wie ein Mäuschen, damit man mich nicht schlafen schickte. Als ich sechs Jahre alt geworden war, hatte ich durch diese spielerische Beschäftigung lesen und zeichnen gelernt.
    Eines Morgens, es war der erste Tag des Schuljahres, stand ich auf der Straße und sah neiderfüllt den Kindern nach, die schon in die Schule gehen durften. Ich war noch zu klein. Wassil, mein Freund, kam aus dem Tor des Nachbarhauses. Als er mich sah, sagte er: „Komm mit in die Schule, Wanja! Ich werde dich eintragen lassen."
    Ich freute mich riesig, vergaß sogar, die Eltern um Erlaubnis zu bitten, und lief hinter ihm her.
    Auf dem Weg zur Schule war mir nicht ganz wohl zumute. Wenn mich nun die Lehrerin nicht aufnahm? Es hieß, daß Nina Wassiljewna sehr streng sei.
    Wir kamen in das helle, hohe Klassenzimmer. Die Bänke blitzten, alle Kinder waren festlich gekleidet. Die große Wandtafel gefiel mir am besten. Auf ihr kann man sehr schön zeichnen, dachte ich. Die Lehrerin saß schon am Pult. Sie hatte ein jugendliches, gütiges Gesicht und glatt zurückgekämmtes schwarzes Haar. Später bemerkte ich, daß sich zwischen ihren Brauen eine tiefe, gerade Falte in die Stirn grub, wenn sie unzufrieden oder verärgert war.
    Wassil trat zu der Lehrerin und sprach, auf mich zeigend: „Nina Wassiljewna, er kann lesen, ich habe ihn mitgebracht, er will auch schon zur Schule gehen."
    Sie lächelte freundlich und sah mich aufmerksam an: „Na, geh mal an die Tafel, Kleiner, und schreibe die Buchstaben an, die du kennst!"
    Ich stellte mich auf die Fußspitzen und malte sorgfältig Buchstaben für Buchstaben. Dann mußte ich lesen. Die Lehrerin gab mir eine Fibel. Anfangs stotterte ich, doch dann las ich fließend eine Erzählung vor.
    Nina Wassiljewna notierte meinen Vor- und Familiennamen und mein Alter und sagte: „Du bist zwar noch klein, ich werde dich aber dennoch in die erste Gruppe aufnehmen."
    Der Winter zog ins Land. Frost und Schneestürme setzten ein. Zur Schule war es ziemlich weit. Ich stand täglich in aller Frühe auf, denn ich fürchtete immer, zu spät zu kommen - und war fast stets der erste.
    Eines Morgens war starker Frost. Der Wind jagte durch die Straße und heulte im Schornstein. Als ich aufwachte, war es noch ganz dunkel. Mutter war schon aufgestanden und heizte den Ofen. Sie hatte mich nicht geweckt, da sie meinte, daß bei so starker Kälte der Unterricht ausfalle. Ich bat sie unter Tränen, mich fortzulassen.
    Auf den Straßen waren keine Kinder zu sehen. Ich glaubte, es wäre bereits zu spät, und rannte, so schnell mich meine Beine tragen konnten. Als ich vor der Schule ankam, waren auf dem verschneiten Weg keine Fußspuren zu sehen. Die Fenster waren dunkel, aus dem Schornstein quoll Rauch. Ich stieg die Vortreppe hinauf. Die Tür war verschlossen! Nun bin ich doch zu spät gekommen, dachte ich. Ich fühlte mich so unglücklich, daß ich zu weinen
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