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Ich greife an

Ich greife an

Titel: Ich greife an
Autoren: Iwan Koshedub
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Die Hirten wärmten sich, kochten Fischsuppe, brieten Speck oder buken Kartoffeln. Einer erzählte Märchen.
    Ich wußte, daß mir eine Prüfung bevorstand, denn es war üblich, einen Neuling im Nachtlager zu „taufen", damit er sich nicht vor Wölfen und der Dunkelheit fürchtete.
    Als uns die Hirten erblickten, sprangen sie auf. Man führte mich, den Gesetzen des Nachtlagers entsprechend, ein paarmal um das Feuer herum. Dann gab man mir einen Kessel und hieß mich, Wasser aus dem Flüßchen zu holen und auf dem Rückweg nach den Pferden zu sehen.
    Es war unheimlich, im Dunkeln durch die unbekannte Gegend zu gehen. Aber den Auftrag verweigern hätte bedeutet, sich zu blamieren und in den Ruf eines Feiglings zu geraten.
    Nachdem ich mich langsam vom Feuer entfernt hatte, hielt ich es nicht mehr aus und rannte aus Leibeskräften. Als ich am Flüßchen anlangte, hatte sich meine Furcht schon etwas gelegt. Ich schaute mich um und lauschte - Stille! Es war ganz und gar nicht unheimlich. Ich füllte den Kessel, sah nach den Pferden und ging langsam, um das Wasser nicht zu verschütten, zum Feuer zurück.
    Der Älteste des Hirtenlagers nahm mir den Kessel ab. „Prachtbursche", sagte er, „hat ihn voll gebracht! Hast dich also nicht gefürchtet! Hast du nach den Pferden gesehen? Halte im Nachtlager stets die Ohren offen und lache nicht über einen Kameraden, weil du dann über dich selbst weinen wirst! Na, ruh dich aus!"
    Ich war in das Hirtenlager aufgenommen.
    Ich setzte mich an das Feuer und buk Kartoffeln. Die Müdigkeit überwältigte mich, und während jemand ein Märchen erzählte, schlief ich ein.
    Einmal war Vater sehr spät vom Felde gekommen. Es war schon völlig dunkel, als ich das Pferd zur Herde brachte. Ich entschloß mich für den kürzesten Weg. Dieser führte am Friedhof vorüber. Ich ritt mit zusammengekniffenen Augen, da ich mir am vorhergehenden Abend schreckliche Märchen von Nixen und Hexen angehört hatte. Es passierte mir nichts.
    Nach Hause zurück schlug ich denselben Weg ein. Ich ging rasch, da mir unheimlich zumute war. Plötzlich sah ich Augen, die wie Feuer glühten. Ein Wolf! Kalter Schauer jagte über meine Haut, ich begann zu rennen. Zum ersten Male begegnete ich nachts einem Wolf. Vor Aufregung merkte ich gar nicht, daß ich auf den Friedhof zulief. Der Schweiß rann mir in Strömen am Leib herab, und mein Herz klopfte mir zum Zerspringen. Plötzlich sah ich, wie jemand, hochgewachsen und in Weiß gehüllt, aus dem Dunkeln auf mich zukam und mit einem langen Arm winkte. Da jagt ein Toter hinter mir her! dachte ich. Ich schloß vor Schreck die Augen und rannte davon, ohne auf den Weg zu achten. Als ich ein gebührendes Stück zwischen mich und den „Toten" gebracht hatte, überwand ich die Furcht, blieb stehen und sah mich um.
    Da stand ein großer Schimmel und wedelte mit dem Schweif. Ich kam mir lächerlich vor, stimmte ein Lied an und ging gemächlich nach Hause.
DIE ERSTEN PFLICHTEN
    Ich ging noch nicht zur Schule, als Vater hinter dem Hause einige Birn-, Apfel- und Pflaumenbäume setzte. Er ließ auch mich mitarbeiten. Ich grub um und schleppte Erde herbei und pflegte dann zusammen mit ihm die jungen Bäumchen. Ich entfernte die Raupen, grub kleine Gräben um die Stämme, und als die Bäume Früchte zu tragen begannen, hieß mich Vater, sie zu bewachen.
    Ich bewaffnete mich mit meiner Schleuder und mit Steinen, setzte mich unter einen Baum und lauschte den nächtlichen Geräuschen. Dabei war mir nicht ganz wohl zumute. Ab und zu kam Vater lautlos herbei und weckte mich, wenn ich eingeschlummert war: „Bist du eingeschlafen? Aus dir wird ein schlechter Wächter werden."
    Als ich erwachsen war, fragte ich ihn, warum ich Wache halten mußte, obgleich es keine Diebe gab. Er sagte lachend: „Nun, warum wohl? Du warst mein Jüngster, und ich habe dich von klein auf an jede Arbeit gewöhnt. Ich kränkelte, war alt und glaubte, daß du sehr früh verwaisen würdest."
    Allmählich nahmen meine häuslichen Pflichten immer mehr zu.
    Im Sommer schleppte ich von morgens bis mittags Wasser, damit wir den Gemüsegarten gießen konnten. Ich füllte ein ganzes Faß. Das war meine Norm! Die vollen Eimer trug ich so behutsam am Schulterjoch, als seien sie mit Milch gefüllt. Da der Brunnen etwa hundert Meter vom Hause entfernt war, war ich müde, wenn ich das Faß gefüllt hatte.
    Ich hütete auch die Kälber auf der Wiese. Viele Jungen kamen dort zusammen. Wir tummelten uns zwischen den Büschen,
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