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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eineinhalb Jahren – jetzt ist es soweit. Ich werde wohl fahren.«
    »Bitte.«
    »Ist das alles, was du mir dazu zu sagen hast?«
    »Soll ich Hosianna singen?«
    »Du könntest dich freuen.«
    »Bitte – ich freue mich! Hahaha! Welche Freude! Genügt das? Oder verlangst du einen Freudensprung?« Ich sah ihn kurz an. »Wann willst du fahren?«
    »In zehn Tagen. Ich fliege mit der Concorde. Bocchanini ist einverstanden. Eine Ehre auch für seine Klinik.«
    »So. In zehn Tagen?«
    »Die Paßangelegenheit und die Einreiseerlaubnis wird alles vom Ministerium aus geregelt. Es geht sehr schnell.«
    »So?«
    »Ja. Vielleicht fliege ich auch ab London nach New Orleans, um dort noch einen Vortrag anzuhören, ehe ich nach New York weiterfliege. Das wird sich aber alles noch ergeben.«
    »Na – dann viel Spaß.«
    Ich ließ Gaston auf dem Rasen stehen und ging mit langen Schritten dem Laborgebäude entgegen. Ich spürte, wie mir Gaston nachschaute, aber ich drehte mich nicht um.
    In zehn Tagen wird er weg sein aus Europa. Weg aus meinen Augen für immer! Unwiderruflich! Und vielleicht nahm er Brigit mit, vielleicht hatten sie vorhin schon alles besprochen.
    In zehn Tagen!
    Mir blieb nicht mehr viel Zeit für die Ausführung meines Planes. Gaston würde nie die Concorde besteigen – weder in Paris noch in London! Innerhalb der zehn Tage, die mir noch blieben, mußte ich das Gift bekommen und Brigit und ihn getötet haben! Der Gedanke, daß er und Brigit in Amerika ein freies, glückliches Leben führen würden, war mir so unerträglich, daß es wie ein stechender Schmerz durch meinen Körper zog und ich mich krümmte, ehe ich bei Prof. Bartels eintrat.
    Erstaunt sah er mich an.
    »Sie erschrecken mich, Dr. Parnasse! Wie sehen Sie aus? Blaß und eingefallen. Sind Sie krank?«
    »Ein wenig überarbeitet, Herr Professor. Das ist alles.« Ich setzte mich in den angebotenen Sessel und rauchte hastig eine Zigarette, die mir Bartels gab. »Haben Sie es sich überlegt?« fragte ich dabei.
    »Was wollen Sie denn bei mir lernen?«
    »Vor allem die Toxine, die für Narkosen brauchbar sind: Lähmungsgifte, Betäubungsgifte, Anästhesiemittel für Leitungsnarkosen und was es sonst so alles gibt.«
    »Haben Sie mit Bocchanini darüber gesprochen?«
    »Noch nicht. Ich wollte es morgen tun. Mir fiel die Möglichkeit der Assistenz bei Ihnen plötzlich ein, als ich so spät noch Licht bei Ihnen sah.«
    »Gedacht – getan! Sie haben Temperament, Dr. Parnasse! Aber stellen Sie sich die Arbeit hier nicht leicht vor. Es heißt, zu Ihrer chirurgischen Arbeit noch ein volles Arbeitspensum zusätzlich zu bewältigen!«
    »Ich weiß, Herr Professor.«
    »Sie halten das nicht durch, Dr. Parnasse!«
    »Oh – ich bin zäh«, lächelte ich.
    Als ich zurück in mein Zimmer ging, durch die etwas kühle, mondhelle Nacht, war mir leichter ums Herz. Morgen konnte ich im Labor III zusehen … nur zusehen und lernen … aber ich würde einmal, ein einziges Mal, die Möglichkeit haben, an den Giftschrank für die Pilztoxine zu kommen. Und dieses eine Mal würde genügen!
    Noch zehn Tage!
    Wie lang sind zehn Tage …
    Wenn man glaubt, vor einer großen Entscheidung zu stehen, beginnt die Zeit, wegzulaufen. Sie entgleitet einem unter den Fingern. Man will sie halten, man glaubt, daß Tage und Wochen erst gelebt werden müssen, aber man sieht, daß die Abende früher kommen, als man es glaubte und sich die Zeiger der Uhr schneller drehen, als man jemals beobachtet hat.
    Plötzlich ist das Leben zu einer rasenden Jagd geworden, wie ein Rennen um den Preis der Erfüllung. Ein Flug über Entfernungen hinweg, die man früher nie bemerkte.
    Auch zehn Tage schrumpfen zusammen zu einer lächerlichen Stunde, wenn sie eine Entscheidung bringen sollen, die von Glück und Schnelligkeit abhängt.
    Zwei Tage, nachdem ich bei Prof. Bartels arbeitete, hatte ich das Gift in den Händen! Ein kleines Röhrchen mit weißlichen Kristallen. Es genügte, um dreihundert Menschen mit dem Gift des Knollenblätterpilzes zu töten. Ein konzentrierter Tod in meiner Hand.
    Damit es niemand merkte, hatte ich das Röhrchen gegen ein gleich großes mit feinem Zucker ausgetauscht. Nun lag das Gift in meinem Zimmer, unter der Matratze versteckt, und ich schlief zwei Tage darauf, mich hin und her wälzend, ehe ich mich überwand, zur Tat zu schreiten.
    In diesen vier Tagen hatte ich Gewißheit bekommen, daß Brigit sich allen Ernstes mit dem Gedanken trug, mit Gaston nach Amerika zu fliegen. Ich
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