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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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betrachten, wie man einen Film sieht, ein Buch liest oder ein Bild betrachtet. Es ging mir nicht mehr in die Seele – für mich waren Brigit und Gaston schon tot. Getötet durch meine Hand. Und warum soll man sich über Tote erregen? Es wäre das eine Regung des Gewissens – und gerade Gewissen war etwas, was ich nicht mehr besitzen wollte!
    Den ganzen Abend und die ganze Nacht hindurch saß ich in meinem dunklen Zimmer in der Klinik am Fenster und starrte hinüber zu den Fenstern der Labors.
    In Labor III brannte noch immer Licht. Weiße Mäntel huschten vor den Scheiben entlang, einmal erkannte ich sogar die Gestalt von Prof. Bartels.
    Ich blickte auf die Armbanduhr.
    Zwei Uhr nachts. Zwei Uhr – und noch immer Betrieb in den Labors? Arbeiteten sie vielleicht durch? Gab es dort keine Nachtruhe?
    Ich ging hinaus auf den Gang und traf bei der Aufnahme einen jungen Assistenzarzt, der Nachtdienst hatte.
    »In den Labors ist noch immer Licht«, sagte ich leichthin. »Was ist da eigentlich los?«
    »Bartels steckt in einer großen Versuchsreihe. Seit einer Woche arbeiten sie in vier Schichten. Sie wollen bis zum Winter ein Ergebnis vorlegen.«
    »Bis zum Winter?« Ich sah erschrocken zu Boden. Bis zum Winter Tag und Nacht? Wie kam ich da an mein Gift heran? Wie erreichte ich die kleine Ampulle mit den hellen Kristallen?
    Der junge Arzt nickte. »Ja. Bartels ist versessen! Ein Arbeitstier! Ich möchte bei ihm kein Assistent sein.«
    Assistent! Das war ein Wort! Assistent bei Bartels! Dann konnte ich an jeden Giftschrank, dann stand mir die ganze Skala der Gifte zur Verfügung.
    Ich grüßte den jungen Arzt freundlich und ging zurück auf mein Zimmer. Dort setzte ich mich sofort an den Apparat des Haustelefons und wählte die Nummer des Labors III. Nach einer Weile meldete sich Prof. Bartels.
    »Herr Professor«, sagte ich. »Hier ist Gisèle Parnasse. Ich sehe von meinem Zimmer aus, daß Sie noch fleißig an der Arbeit sind. Und dabei kam mir ein Gedanke. Können Sie mich nicht als außerplanmäßige, unbezahlte Assistentin bei sich einstellen?«
    »Aber warum das denn?« Bartels war anscheinend sehr verblüfft. Er hüstelte am Telefon. »Es genügt doch, wenn Sie sehen, wie Menschen aufgeschnitten werden. Warum jetzt auch noch Ratten und Meerschweinchen?«
    »Ich habe mir gedacht, daß ich durch die Kenntnis der Gifte sehr viel für meine Spezialausbildung als Anästhesieärztin lernen könnte.«
    »Das allerdings.«
    »Sehen Sie, und darum meine Bitte. Wenn ich Sie zu sehr belaste, dann können Sie mich ja jederzeit wieder hinauswerfen!« Ich lachte dabei, aber ich zitterte vor Erregung und lehnte mich an die Wand. Wenn er jetzt ja sagt, habe ich das Gift! Wenn er nein sagt, ist alles anders geworden, und ich muß sehen, auf welche Weise ich Gaston und Brigit töten kann.
    »Wir wollen das alles mal durchsprechen, Dr. Parnasse.« Prof. Bartels räusperte sich erneut. »Wenn Sie Zeit haben, kommen Sie mal herüber.«
    »Jetzt?«
    »Von mir aus. Wenn Sie abkommen können? Ich kenne heute keine Nacht.«
    »Ich auch nicht! Also, ich komme sofort.«
    Ich legte aufatmend den Hörer wieder auf die Gabel und strich mir die Haare aus der Stirn. Dann zog ich meinen weißen Ordinationskittel an, steckte das Membranstethoskop in die Tasche und verbreitete so den Eindruck einer seriösen Medizinerin, die sich wirklich nur aus wissenschaftlichem Interesse in die Giftküche von Prof. Bartels begibt.
    Als ich den Rasen zwischen den beiden Gebäuden überquerte, kam mir eine Gestalt durch die mondhelle Nacht von einem der Seiteneingänge der Klinik entgegen.
    Gaston!
    Er sah mich sofort und blieb vor mir stehen, den Hut etwas in den Nacken geschoben, die Hände in den Taschen seines Trenchcoats.
    »So spät noch unterwegs?« fragte er.
    »Ich mache einen Besuch.«
    »In vollem Ornat? Senlis liegt übrigens nicht da drüben.«
    »Ich gehe zu Bartels.«
    »Ach! Hast du in dem alten Knacker den dritten Frühling geweckt? Mal was anderes, wie? Statt junger Stiere einmal einen alten, keuchenden Bullen.«
    »Du bist ein ekelhaftes Schwein!« sagte ich laut. Ich wollte weitergehen, aber er hielt mich am Arm des weißen Mantels fest.
    »Ich wollte es dir schon gestern sagen, aber da warst du ja mit Senlis im siebten Himmel! Ich habe ein Telegramm aus New York bekommen. Das Rockefeller-Institut hat mich eingeladen, für drei Jahre nach Amerika zu kommen, um im Krebsforschungsinstitut zu arbeiten. Ich verhandelte mit New York schon seit
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