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Ich gegen Dich

Titel: Ich gegen Dich
Autoren: Jenny Downham
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dem Urlaub in Kenia, als der Hund sie ein zweites Mal beißen wollte und er dazwischengegangen war (die größte Heldentat, die irgendwer je für sie vollbracht hatte).
    »Bevor wir umgezogen sind«, sagte sie, »bist du immer kurz dabei gewesen, wenn meine Freundinnen vorbeigekommen sind, und hast mit uns gequatscht. Jedesmal, wenn wir dich in der Stadt gesehen haben, hast du gewunken oder bist rübergekommen und hast mit uns geredet, als ob du dich richtig interessiert hättest. Darauf hätte der Bruder von keiner anderen Bock gehabt. Deshalb war ich immer stolz auf dich.«
    Er lächelte zu ihr hoch. »Du sagst so nette Sachen.«
    »Na ja, du machst so nette Sachen. An meinem sechzehnten Geburtstag hast du diese Rede gehalten, weißt du noch, dass ich die beste Schwester der Welt wär? Und als ich in der Schule dieses dämliche Abschiedskonzert gegeben hab, hast du am lautesten geklatscht, obwohl ich das voll verkackt und meinen ganzen Text vergessen hab.«
    Tom lachte, als sie ihn an diese Sachen erinnerte. Es war toll. Alles zusammen. Er erzählte von damals, als sie in Südfrankreich zelten waren und der Campingplatz so was von todsterbenslangweilig gewesen war. Der Swimmingpool war geschlossen, die Animation war der letzte Mist, und das einzig Gute waren die Pâtisserie und die Drachen gewesen, die sie in dem Laden gekauft hatten.
    »Wir haben so'n Hügel gefunden«, sagte er, »weißt du noch, welchen? Wir haben die Drachen von oben steigen lassen, und wenn es uns langweilig wurde, sind wir den ganzen Abhang runtergerollt und wieder raufgelaufen.«
    Ellie staunte, dass er sich daran erinnerte. Da hätte sie ihm stundenlang die Haare schneiden können. Ihr gefiel, wie gemütlich es zusammen in dem Gästezimmer war, von wo aus man die gedämpften Geräusche der Leute hören konnte, die die Party vorbereiteten, ihre Stimmen leise und weit weg. Es ermutigte sie. »Können wir drüber reden, was in dieser Nacht passiert ist?«
    Er schwang auf dem Stuhl herum, um sie anzusehen. »Muss das sein? Kann ich nicht einfach mal meine Ruhe haben?«
    Ellie schaute zu Boden. »Es gibt da Sachen, die verstehe ich nicht.«
    Er runzelte missbilligend die Stirn. »Hast du mit irgendwem gesprochen?«
    »Nicht wirklich.« Ellie fühlte sich wie auf Treibsand, als wäre dieses Gespräch in Rauch gehüllt. »Ich war noch nicht wieder in der Schule.«
    Schweigen kam auf, während sie sich ansahen. »Wenn ich eingebuchtet werde, Ellie, ist das für mich das Ende von allem.«
    »Ich weiß.«
    »Da drin sind Typen...« Seine Stimme versagte, und er schüttelte den Kopf, als hätte er das Unaussprechlichste gesehen. »Es waren die längsten zwei Wochen meines Lebens.«
    In seinen Augen war etwas. Ihr dunkler Glanz erinnerte sie an den Herbst, als er sich den Arm gebrochen hatte, wie er damals auf dem Fußballplatz gesessen und vor Wut laut aufgeheult hatte, weil er die ganze Saison aussetzen musste, obwohl er eben erst in die Mannschaft aufgenommen worden war. Sie schaute weg.
    »So«, sagte sie, »fertig.« Sie strich mit den Händen über sein Haar, glättete abstehende Strähnen. »Sieht süß aus.«
    »Süß?« Mit einer Hand rieb er sich über den Schädel. »Das ist nicht ganz, was ich mir vorgestellt hatte.«
    »Wie wolltest du denn aussehen?«
    »Unschuldig.« Er lächelte ihr im Spiegel zu. »Harmlos und über jeden Verdacht erhaben.«
    Sie saß auf seinem Bett und sah zu, wie er sich mit seinem T-Shirt das Haar von den Schultern fegte. Er sprühte sich Deo unter die Arme, klatschte sich Aftershave auf die Hände, rieb sie aneinander und strich sich dann mit den Handflächen über die Wangen.
    »Werde ich vor Gericht treten und Fragen beantworten müssen?«, fragte sie. »Oder werden sie bloß meine Aussage verlesen?«
    Ohne sie zu beachten, zog er sein neues gestreiftes T-Shirt an. Sie hatte es vorige Woche mit Mum für ihn ausgesucht, und das Label war noch dran. Er riss es ab und reichte es ihr. »Altpapier«, sagte er.
    Sie steckte es in ihre Tasche. »Hast du gehört?«
    Er fummelte an seinem T-Shirt herum, zog es vor dem Spiegel glatt. »Du warst als einzige andere Person die ganze Zeit anwesend, was dich zur Hauptzeugin macht. Du wirst garantiert vor Gericht erscheinen müssen.«
    Ihr Magen krampfte sich zusammen. »Sie können mich nicht zwingen, irgendwas zu sagen.«
    »Sie können dich zu nichts zwingen, wenn du nichts gesehen hast.«
    Sie nickte. Mit einer Mischung aus Mitleid und Furcht sah sie ihn an, weil ihr die
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