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Ich folge deinem Schatten

Ich folge deinem Schatten

Titel: Ich folge deinem Schatten
Autoren: Mary Higgins Clark
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in sie investiert habe. Ich weiß, Sie haben Bartley Longe ebenfalls um Entwürfe gebeten. Klar, er ist ein ausgezeichneter Designer, daran gibt es nichts zu deuteln. Der Wettbewerb ist hart, aber vielleicht gefällt Ihnen ja weder das, was er gemacht hat, noch das, was Sie von mir zu sehen bekommen haben.«
    »Sie reden über ihn sehr viel nachsichtiger als er über Sie«, bemerkte Wilson trocken.
    Zan bedauerte die Verbitterung, die daraufhin in ihrer Antwort mitschwang. »Wir haben nichts mehr füreinander übrig. Andererseits bin ich mir aber auch sicher, dass Sie diesen Auftrag nicht anhand von Sympathiewerten vergeben.« Und ich komme mindestens um ein Drittel billiger als Longe, dachte sie sich, nachdem sie sich von Wilson am imposanten Eingang des Hochhauses verabschiedet hatte. Dieses Ass habe ich im Ärmel. Ich werde an dem Auftrag nicht viel verdienen, das Renommee aber, das für mich dabei herausspringt, ist es wert.
    Erst im Taxi auf dem Rückweg in ihr Büro wurde ihr bewusst, dass die Tränen, die sie die ganze Zeit zurückgehalten hatte, nun ungehindert strömten. Sie holte die Sonnenbrille aus ihrer Tasche und setzte sie auf. Als das Taxi an der East Fifty-eighth Street anhielt, gab sie dem Fahrer ein großzügiges Trinkgeld – das hatte sich jeder verdient, der sich im New Yorker Straßenverkehr seinen Lebensunterhalt verdienen musste.
    Der Taxifahrer, ein älterer Schwarzer mit jamaikanischem Akzent, bedankte sich herzlich. »Miss«, sagte er noch, »ich hab gesehen, dass Sie geweint haben. Heute geht es Ihnen vielleicht schlecht, aber morgen sieht alles wieder viel freundlicher aus. Sie werden schon sehen.«
    Dein Wort in Gottes Ohr, dachte sich Zan, flüsterte ein »Danke«, betupfte sich nochmals die Augen und stieg aus. Aber nicht alles würde am nächsten Tag freundlicher aussehen.
    Das würde es vielleicht nie.

8
    Pater Aiden O’Brien hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Er sorgte sich um die junge Frau, die ihm unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses anvertraut hatte, dass sie an einem Verbrechen beteiligt und nicht in der Lage sei, einen Mord zu verhindern. Er konnte nur hoffen, dass ihr Gewissen, das sie dazu getrieben hatte, sich seiner Last zu entledigen, sie ebenfalls vor der Todsünde bewahren würde, den Mord an einem Menschen zuzulassen.
    Bei der Morgenmesse betete er für die Frau und ging dann schweren Herzens seinen Pflichten nach. Besonderen Gefallen fand er an der Essens- oder Kleiderausgabe, durch die die Kirche seit achtzig Jahren die Bedürftigen unterstützte. Die Zahl der Hilfsbedürftigen hatte in letzter Zeit wieder zugenommen. Pater Aiden half in der Frühstücksschicht und freute sich an den sichtlich aufgeheiterten Mienen der Hungrigen, wenn sie sich über die Frühstücksflocken, die Rühreier und den heißen Kaffee hermachen konnten.
    Am Nachmittag dann erhellte sich auch seine Stimmung, als ihn seine alte Freundin Alvirah Meehan anrief und ihn zum Abendessen einlud. »Ich muss die Siebzehn-Uhr-Messe halten«, erzählte er ihr, »aber gegen halb sieben kann ich bei Ihnen sein.«
    Etwas, auf das er sich freuen konnte, obwohl er wusste, dass nichts die Last linderte, die die junge Frau ihm aufgebürdet hatte.
    Um 18.25 Uhr stieg er aus dem Bus und überquerte die Central Park South zu dem Gebäude, in dem Alvirah und Willy Meehan seit ihrem Vierzig-Millionen-Glückstreffer in der Lotterie wohnten. Der Türsteher kündigte ihn über die Gegensprechanlage oben an, und als er im fünfzehnten Stock ausstieg, wartete Alvirah bereits, um ihn zu begrüßen. Der köstliche Geruch eines Brathuhns zog in den Flur, dankbar folgte der Pater Alvirah in die Küche. Willy wartete bereits, um ihm den Mantel abzunehmen und seinen Lieblingsdrink zuzubereiten, Bourbon on the rocks.
    Sie hatten kaum Platz genommen, als Pater Aiden bemerkte, dass Alvirah ihre sonstige Fröhlichkeit fehlte. Ihn beschlich das Gefühl, dass ihr etwas auf dem Herzen lag. Schließlich sprach er es an. »Alvirah, Sie machen sich über irgendetwas Sorgen. Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise helfen?«
    Alvirah seufzte. »Ach, Pater, Sie können in Menschen wie in einem Buch lesen. Sie erinnern sich vielleicht, ich habe Ihnen doch von Zan Moreland erzählt, deren Sohn im Central Park verschwunden ist.«
    »Ja. Ich war zu der Zeit in Rom«, sagte er. »Und von dem Kind fehlt nach wie vor jede Spur?«
    »Nichts. Absolut nichts. Zans Eltern sind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und sie hat die
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