Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
Vom Netzwerk:
schon ewig …«
    »Ja, schon gut. Jedenfalls ist er – war er – ihr Mann.«
    »Der Kerl, für den sie dich hat sitzen lassen?«
    »Ja.«
    »Und jetzt ist er tot?«
    »Sieht so aus.«
    »Damit«, sagte Benedict und zog eine Augenbraue hoch, »ist sie ja wieder zu haben.«
    »Wie einfühlsam.«
    »Ich mache mir Sorgen. Du bist mein bester Wingman. Ich kann zwar reden und die Ladys umgarnen, aber du siehst gut aus. Ich kann unmöglich auf dich verzichten.«
    »Wie einfühlsam«, wiederholte ich.
    »Rufst du sie an?«
    »Wen?«, fragte ich.
    »Condoleezza Rice. Wen schon? Natalie.«
    »Ja, klar doch. Dann sag ich so was wie: ›Hey, ich hab gehört, dass der Typ, für den du mich hast sitzen lassen, tot ist. Hättest du Lust, mit mir ins Kino zu gehen?‹«
    Benedict las die Todesanzeige. »Warte.«
    »Was ist?«
    »Hier steht, sie hat zwei Kinder.«
    »Und?«
    »Das macht es natürlich komplizierter.«
    »Kannst du jetzt mal aufhören?«
    »Zwei Kinder. Da könnte sie fett geworden sein.« Benedict sah mich mit den vergrößerten Augen an. »Weißt du, wie Natalie jetzt aussieht? Ich meine, zwei Kinder. Ein bisschen stämmig wird sie da wohl schon sein, oder?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Äh … na, wie jeder andere auch – Google, Facebook und so weiter.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab nicht geguckt.«
    »Was? Das macht doch jeder. Verdammt, sogar ich mach das mit all meinen Verflossenen.«
    »Und das Internet verkraftet diese Datenmengen?«
    Benedict grinste: »Ich hab natürlich einen eigenen Server.«
    »Einen? Jetzt untertreibst du aber.«
    Ich sah eine gewisse Traurigkeit in seinem Lächeln. Mir ging ein Abend in der Bar durch den Kopf, an dem er ziemlich viel getrunken und dann eine ganze Weile ein recht abgegriffenes Foto angestarrt hatte, das er sonst hinten in seinem Portemonnaie versteckte. Ich hatte ihn gefragt, wer das war. »Die einzige Frau, die ich je lieben werde«, hatte er gelallt. Dann steckte er das Foto wieder hinter die Kreditkarten, und obwohl ich ihn ein paar Mal behutsam darauf angesprochen hatte, verlor er nie wieder ein Wort darüber.
    Damals hatte er genauso gegrinst.
    »Ich habe es Natalie versprochen«, sagte ich.
    »Was hast du ihr versprochen?«
    »Dass ich die beiden zufrieden lasse. Dass ich mich nicht nach ihnen erkundige oder sie auf irgendeine Art behellige.«
    Benedict überlegte. »Wie’s aussieht, hast du dein Versprechen gehalten, Jake.«
    Ich sagte nichts. Vorhin hatte Benedict gelogen. Er checkte die Facebook-Seiten seiner ehemaligen Freundinnen nicht, und wenn doch, tat er es ohne große Begeisterung. Aber einmal, als ich in sein Büro geplatzt war – genau wie er, klopfe auch ich nie an, wenn ich ihn sehen will –, war er gerade auf Facebook. Mit einem kurzen Blick erfasste ich, dass er auf der Facebook-Seite der Frau war, deren Foto er im Portemonnaie gehabt hatte. Benedict hatte den Browser sofort geschlossen, ich würde aber wetten, dass er die Seite häufig besuchte. Wahrscheinlich täglich. Ich würde wetten, dass er sich jedes neue Foto ansah, das die einzige Frau, die er je lieben würde, auf ihrer Seite postete. Ich würde wetten, dass er ihr Leben auch heute noch verfolgte, sich Bilder von ihrer Familie ansah, von dem Mann, mit dem sie das Bett teilte, und dass er sie genauso anstarrte wie damals das Foto aus seinem Portemonnaie. Ich kann das alles nicht beweisen, es ist nur ein Gefühl, aber ich glaube nicht, dass ich mit dieser Einschätzung weit danebenliege.
    Wie ich schon sagte, ist jeder von uns auf seine eigene Art verrückt.
    »Was willst du mir damit sagen?«, fragte ich ihn.
    »Ich will damit nur sagen, dass diese ganze ›Die beiden‹-Nummer jetzt vorbei ist.«
    »Natalie ist schon lange kein Teil meines Lebens mehr.«
    »Ist das dein Ernst?«, fragte Benedict. »Musstest du ihr auch versprechen zu vergessen, was du damals für sie empfunden hast?«
    »Ich dachte, du hättest Angst, deinen besten Wingman zu verlieren.«
    »So gut siehst du auch wieder nicht aus.«
    »Gemeiner Mistkerl.«
    Er stand auf. »Wir Geisteswissenschaftler wissen alles.«
    Mit diesen Worten ließ Benedict mich allein. Ich stand auf, trat ans Fenster und blickte auf die Mensa hinunter. Ich betrachtete die vorbeigehenden Studenten und überlegte, wie ich es oft mache, wenn ich eine schwierige Entscheidung treffen musste, welchen Rat ich ihnen geben würde, wenn sie sich in dieser Situation befänden. Plötzlich stürzte alles ohne jede Vorwarnung auf mich ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher