Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
Vom Netzwerk:
wiederkommen?«
    »Nein«, sagte ich.
    Ich wandte mich vom Bildschirm ab. Das musste warten. Natalies Mann war jung gestorben. Das war traurig, oder vielleicht sogar tragisch, aber es hatte nichts mit mir zu tun. Es war kein Grund, meine Arbeit liegen zu lassen oder meinen Studenten Unannehmlichkeiten zu bereiten. Natürlich hatte die Nachricht mich aus dem Konzept gebracht – nicht nur die von Todds Tod, sondern auch die, dass er auf meine Alma Mater gegangen war. Das mochte ein aberwitziger Zufall sein, eine weltbewegende Enthüllung war es allerdings nicht.
    Vielleicht stand Natalie einfach auf Lanford-Männer.
    »Also, was liegt an?«, fragte ich Barry.
    »Kennen Sie Professor Byrner?«
    »Klar.«
    »Er ist ein totaler Vollpfosten.«
    Das stimmte, auch wenn ich es so nicht formulieren würde. »Worum geht’s denn?«
    In der Anzeige hatte nichts über die Todesursache gestanden, aber darüber erfuhr man in den Anzeigen des Colleges häufig nichts. Trotzdem würde ich später noch einmal nachsehen. Wenn sie dort nicht genannt wurde, fand ich vielleicht im Internet etwas Genaueres.
    Aber warum wollte ich eigentlich mehr darüber wissen? Was änderte das schon?
    Am besten hielt ich mich da raus.
    Jedenfalls konnte ich das Ende meiner Sprechstunde kaum erwarten. Als Barrys Zeit um war, machte ich weiter. Ich versuchte, den Gedanken an die Todesanzeige beiseitezuschieben und mich auf die anderen Studenten zu konzentrieren. Ich war nicht gut in Form, aber das merkten die Studenten nicht. Studenten können sich genauso wenig vorstellen, dass Professoren ein richtiges Leben führen, wie sie sich vorstellen können, dass ihre Eltern Sex haben. Was irgendwie auch ganz gut so war. Andererseits bemühte ich mich unablässig, ihnen beizubringen, dass sie ihren Horizont erweitern sollten. Es ist eine Eigenart des Menschen, sich selbst für einzigartig und sehr komplex zu halten und alle anderen für leicht durchschaubar. Was natürlich ein Irrtum ist. Wir alle haben unsere Träume, Hoffnungen, Bedürfnisse, Begierden und Sehnsüchte. Jeder von uns ist auf seine eigene Art verrückt.
    Meine Gedanken schweiften ab. Die Zeiger der Uhr schleppten sich so mühsam voran, als würde ich mich im langweiligsten Seminar zu Tode langweilen. Nach der Sprechstunde um Punkt 17 Uhr setzte ich mich wieder an den Computer. Ich klickte auf die Todesanzeige, so dass sie komplett auf dem Bildschirm erschien.
    Nein, die Todesursache wurde nicht genannt.
    Seltsam. Manchmal fand man Hinweise in den Spendenaufrufen. Wenn dort zum Beispiel stand, statt Blumen bitten wir um Spenden an die Amerikanische Krebsgesellschaft oder so etwas. Aber auch da entdeckte ich nichts. Es gab auch keinen Hinweis auf Todds Beruf, aber auch das hatte nicht viel zu sagen.
    Die Bürotür wurde aufgerissen, und Benedict Edwards, Professor aus dem Fachbereich Geisteswissenschaft und mein bester Freund, kam herein. Er hatte nicht geklopft, was er allerdings noch nie getan hatte und auch nicht für notwendig erachtete. Freitags um fünf gingen wir oft zusammen in die Bar, in der ich während des Studiums als Türsteher gearbeitet hatte. Sie war damals noch funkelnagelneu, hip und total angesagt gewesen. Jetzt war sie alt, heruntergekommen und etwa so hip und angesagt wie ein Betamax-Videorekorder.
    Körperlich war Benedict praktisch genau das Gegenteil von mir – klein, zierlich und Afroamerikaner. Seine Augen wurden durch eine riesige Ameisenmensch-Brille vergrößert, die an eine Schutzbrille aus dem Chemielabor erinnerte. Zu dem zu groß geratenen Schnurrbart und dem fluffigen Afrolook hatte ihn vermutlich Apollo Creed inspiriert. Seine Finger waren schlank wie die einer Klavierspielerin, um seine Füße hätte ihn eine Ballerina beneidet, und selbst ein Blinder hätte ihn nicht für einen Holzfäller gehalten.
    Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – war Benedict ein absoluter Womanizer und riss mehr Frauen auf als ein Rapper mit einem Radio-Hit.
    »Was ist los?«, fragte Benedict.
    Ich übersprang die »Nichts«- oder »Was soll schon los sein«-Phase und kam direkt auf den Punkt. »Hast du je von einem Todd Sanderson gehört?«
    »Ich glaube nicht. Wer soll das sein?«
    »Ein Ehemaliger. Seine Todesanzeige ist auf der Homepage.«
    Ich drehte den Bildschirm in seine Richtung. Benedict rückte die Schutzbrille zurecht. »Nein, den kenne ich nicht. Wieso?«
    »Erinnerst du dich an Natalie?«
    Seine Miene verfinsterte sich einen Moment lang. »Den Namen hast du ja
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher