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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
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Wiedererkennungswert, vor allem natürlich die berühmte Johnson Chapel, eine größere Version der Kapelle, in der ich Natalies Hochzeit beigewohnt hatte.
    Am rechten Bildschirmrand wurden Nachrichten aus dem College eingeblendet, und genau in dem Moment, als Barry Watkins, der nächste Student auf der Anmeldeliste, den Raum betrat und sagte: »Yo, Prof, was geht?«, entdeckte ich dort eine Todesanzeige, die mich stutzen ließ.
    »Hey, Barry«, sagte ich, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. »Nehmen Sie Platz.«
    Er setzte sich und legte die Füße auf den Tisch. Er wusste, dass mich das nicht störte. Barry kam jede Woche. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Seine Besuche waren eher als harmlose Therapiesitzungen einzuordnen, als dass sie akademische Zwecke verfolgten, aber auch dagegen hatte ich nichts einzuwenden.
    Ich schaute mir die Anzeige auf dem Bildschirm genauer an. Das briefmarkengroße Foto des Verstorbenen machte mich stutzig. Ich erkannte ihn nicht – nicht auf diese Entfernung –, aber er sah relativ jung aus. Das war bei den Todesanzeigen des Colleges allerdings nicht ungewöhnlich. Oft wurde kein aktuelles Bild benutzt, sondern ein altes Jahrbuchfoto eingescannt. In diesem Fall sah man jedoch auf den ersten Blick, dass das nicht der Fall war. Die Frisur entstammte nicht den Sechzigern oder Siebzigern. Es war auch kein Schwarz-Weiß-Foto, wie in den Jahrbüchern bis 1989.
    Wir sind nur ein kleines College, rund vierhundert Studenten pro Jahrgang. Vielleicht deshalb oder weil ich mich sowohl als ehemaliger Student und als Professor dem College verbunden fühlte, traf es mich persönlich, wenn jemand von hier starb.
    »Yo, Teach.«
    »Sekunde, Barry.«
    Das ging jetzt von seiner Zeit ab. Ich benutzte einen tragbaren Basketball-Timer mit großer Digitalanzeige, wie man ihn aus den Sporthallen im ganzen Land kennt. Ein Freund hatte ihn mir geschenkt, weil er, vermutlich aufgrund meiner Größe, angenommen hatte, dass ich Basketball spielte. Das tat ich nicht, aber ich war vernarrt in die Uhr. Sie war so eingestellt, dass sie automatisch von neun Minuten herunterzählte, und jetzt stand sie bei 8:49.
    Ich klickte auf das kleine Foto. Als die größere Version auf dem Bildschirm erschien, gelang es mir, ein überraschtes Stöhnen zu unterdrücken.
    Der Name des Verstorbenen war Todd Sanderson.
    Ich hatte Todds Nachnamen aus dem Gedächtnis verdrängt – auf der Hochzeitseinladung stand damals nur »Todd und Natalies Vermählung!«, aber, Mann, das Gesicht kannte ich. Die hippen Bartstoppeln waren verschwunden. Auf dem Foto war er glattrasiert und trug fast einen Bürstenschnitt. Ich fragte mich, ob das Natalies Einfluss war – sie hatte sich immer über meine Bartstoppeln beschwert, weil sie auf der Haut kratzten. Aber dann fragte ich mich sofort, warum ich mir Gedanken über so etwas Blödsinniges machte.
    »Die Uhr tickt, Teach.«
    »Sekunde noch, Barry. Und nennen Sie mich nicht Teach.«
    Der Anzeige zufolge war Todd zweiundvierzig gewesen. Das waren ein paar Jahre mehr, als ich erwartet hatte. Natalie musste jetzt vierunddreißig sein – sie war ein Jahr jünger als ich. Ich hatte angenommen, dass auch Todd ungefähr in unserem Alter war. Offensichtlich war Todd der Tight End der College-Football-Mannschaft gewesen und hatte es bis in die letzte Bewerbungsrunde für ein Rhodes-Stipendium für die Universität in Oxford geschafft. Beeindruckend. Er hatte seinen Abschluss im Fachbereich Geschichte mit summa cum laude gemacht, eine Wohltätigkeitsorganisation namens Fresh Start gegründet und war im letzten Studienjahr Präsident von Psi U gewesen, der Studentischen Verbindung, in der auch ich Mitglied gewesen war.
    Todd war nicht nur ein ehemaliger Lanford-Student, wir waren sogar in derselben Verbindung gewesen. Wie kam es, dass ich nichts davon gewusst hatte?
    In der Anzeige stand noch mehr, viel mehr, aber ich übersprang alles bis zur letzten Zeile:
    Die Beerdigung findet am Sonntag in Palmetto Bluff, South Carolina, nahe Savannah, Georgia, statt. Mr Sanderson hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.
    Zwei Kinder?
    »Professor Fisher?«
    Barrys Stimme hatte einen eigenartigen Unterton. »Entschuldigung, ich war gerade …«
    »Schon gut, Mann, kein Problem. Ist mit Ihnen alles okay?«
    »Ja, mir geht’s gut.«
    »Sicher? Sie sind ganz schön blass, Mann.« Barry nahm die Turnschuhe vom Tisch und legte die Hände darauf. »Hey, soll ich nicht lieber ein andermal
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