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Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Titel: Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
Autoren: Leo Martin
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Ermittlungsakten und Lageberichte. Das gehörte genauso zu meinem Job wie die Arbeit undercover. Ein Einsatz ist immer nur so gut wie seine Vorbereitung. Mit ihr steht und fällt der Erfolg.
    Sabine beugte sich über meinen Tisch, als sollte ich die Informationen aus ihrem Dekolleté buchstabieren. »Desira sagt, einer von Bülents Busfahrern hat angeboten, Haschisch aus der Türkei nach Deutschland zu bringen. Angeblich würde das über den Landweg laufen, versteckt im Bus, und wenn es an einer Grenze Probleme
geben sollte, dann wäre immer irgendjemand an Bord, dem man das unterschieben könnte … was immer das auch heißen soll.«
    Desiras Meldung konnte, musste aber nicht der Wahrheit entsprechen. Er hatte die Information von jemandem, der einen kannte, der das von jemandem gehört haben wollte. Unser Job war es jetzt, das zu überprüfen. Gerade im Milieu der Kriminellen wimmelt es von Aufschneidern, Angebern und Antestern. Die einfach mal ins Blaue schießen, abwarten, was zurückkommt, und dann sehen, ob sich daraus ein Geschäft ergibt oder nicht. Selbst ein im Großen und Ganzen zuverlässiger V-Mann konnte von solch einem Testballon getäuscht werden. Deshalb ist eine Meldung für uns immer nur so gut, wie sie ihrer Überprüfung standhält.
     
    Sabine legte die schwarze Mappe mit den zusammengetragenen Informationen auf meinen Tisch. Neugierig schlug ich sie auf. Desira mutmaßte, dass Bülents Geld aus kriminellen Geschäften stammen müsse, da in seinem Laden unter touristischen Aspekten praktisch nie etwas los war und mit dem Busunternehmen seiner Meinung nach kaum so viel zu verdienen sei. Ich nickte. Das erschien mir schlüssig. Tag für Tag hockten dieselben sechs, sieben Männer in den Geschäftsräumen auf verblassten, ehemals roten und blauen Plastikstühlen und tranken Tee. Viele Bekannte schauten mal kurz rein, oft dieselben Gesichter. Ein- bis zweimal in der Woche kam ein Bus aus Istanbul, der hier ein bis drei Tage stand und dann zurückfuhr. Dennoch warf Bülent mit Geld nur so um sich, fuhr zwei dicke Autos, lud seine Freunde zu fürstlichen Essen ein, zockte in der Spielhölle nebenan. Diese Bewertung wurde von einer weiteren Quelle geteilt, die wir ebenfalls auf das Busunternehmen angesetzt hatten. Aber das alles waren eben nur Bewertungen, Hinweise, keine Beweise, nicht mal Ansätze von tatsächlichen Beweisen.
     
    Philipp hatte über einen Kontakt in Istanbul weitere Informationen beschafft. In der türkischen Metropole unterhielt Sarai-Reisen im Viertel Taksim, in einer verwinkelten Seitengasse, ein kleines Büro. Es wurde als schmuddelig beschrieben. Der Schriftzug über der Tür zerbrochen, der Empfangsraum bestand auch hier nur aus einem Tisch mit vier Stühlen, der Fußboden war sandig und die Prospekte in einem staubigen Regal im Schaufenster vom Sonnenlicht vergilbt.
    »Da kommt doch Urlaubsstimmung auf«, murmelte Sabine und legte die Fotos, die Philipp organisiert hatte, auf dem großen Besprechungstisch aus. Heute kommen wir dank Google Earth, Street View und Smartphones weltweit innerhalb von Minuten an Aufnahmen von jedem noch so entlegenen Zielobjekt. Und dank integrierter Sechs-Millionen-Pixel-Kameras ist jeder Schnappschuss mit dem Handy sehr viel besser und verwertbarer als vor fünf Jahren noch das beste analoge Foto. Auf der Frontalansicht des Gebäudes mit Blick zum Ende der Gasse konnten wir erkennen, dass die kleinen Läden daneben kaum besser aussahen. Schmuddelig, verfallen, marode. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler gewesen, von der Optik dieser Dependancen auf den Umsatz zu schließen. Philipp ließ uns wissen, dass der heruntergekommene Silberschmied zwei Häuser weiter im Jahr knapp 5 Millionen türkische Lira einnahm.
    »Und wie viel ist das?«, wollte Sabine wissen.
    »Etwas über 2 Millionen Euro«, antwortete Philipp wie aus der Pistole geschossen. »Und das ist nur der Umsatz, den er bei den Finanzbehörden angibt.«
    Sabine pinnte eines der Fotos von Sarai-Reisen Taksim an ihre Wand. »Es ist möglich«, dachte sie laut, »dass Istanbul – München nur eine Route von vielen ist. Teil eines Netzwerkes, das die Ursprungsländer mit mehreren Zielländern verbindet. Wir wissen nicht, ob jeder, der hierher geschleust wird, auch in Deutschland
bleibt. Oder ob die Reise weitergeht in die Niederlande, nach Belgien, Holland, Frankreich oder Spanien … was meinst du, Leo?«
    »Du wirst bald keine Pinnnadeln mehr haben.«

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