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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Autoren: dtv
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wollen allerdings nicht verheimlichen, dass es sich bei dieser Kausalkette ebenso gut um einen Pitt-Effekt handeln könnte. Der Schauspieler Brad Pitt betrat nahezu zeitgleich wie sein Kollege Clooney die Bühne des Feriendomizils um Como. Und auch Pitt schart reihenweise weibliche Fans um sich, die bei solchen Kaufentscheidungen in der Regel den Ausschlag geben. Warum das Phänomen also ausgerechnet Clooneys Namen trägt   – wir wissen es nicht. Wo wir aber schon einmal in der Gegend sind, schlagen wir gleich noch den Versace-Effekt vor. Der ist eher das Gegenteil vom Schubladendenken und deshalb wesentlich cleverer und auch lukrativer: Kaum zogen die U S-Schauspieler am Comer See ein und die Immobilienpreise an, verkaufte die Familie Versace ihre Villa   – für rasante 30   Millionen Euro.

D AS K LEINE-WELT-PHÄNOMEN 2.0
    Warum jeder über maximal drei Ecken erreichbar ist
    Angesichts heutiger Echtzeit-Kommunikation über E-Mail , Twitter und sozialer Netzwerke wie Facebook oder Xing erscheint das Experiment geradezu fossil. Aber 1967 war es eine echte Sensation, eine bahnbrechende Erkenntnis mit phantastischem Potenzial. Damals untersuchte der Harvard-Professor Stanley Milgram die Funktionsweise sozialer Netzwerke. Dabei handelte es sich natürlich um reale Beziehungen, keine virtuellen. Das Internet war da noch gar nicht erfunden.
    Der Psychologe wollte herausfinden, ob eine zufällig ausgewählte Person einen ihr völlig Unbekannten ausschließlich über indirekte zwischenmenschliche Beziehungen erreichen kann. Konkret wählte Milgram einen befreundeten Aktienhändler in Boston als Zielperson aus. Anschließend sollten 160   Probanden aus den weit entfernten Orten Omaha und Wichita versuchen, diesem Mann einen Brief zu schreiben. Seine Adresse war jedoch unbekannt, weshalb die Teilnehmer versuchen sollten, den Brief einem ihrer Bekannten weiterzuleiten, der womöglich näher an der Zielperson dran war als sie selbst. Dieser Bekannte und die folgenden sollten genauso vorgehen. Und tatsächlich: Der erste Brief war bereits nach vier Tagen am Ziel. Binnen weniger Tage trudelten weitere Zuschriften ein, wobei im Schnitt nie mehr als sechs Stationen zwischen dem Absender und dem Empfänger lagen. Das Ergebnis wurde als das Kleine-Welt-Phänomen bekannt. Oder wie man es damals auf die einfache Formel brachte: Jeder kennt jeden über maximal sechs Ecken.
    Weil die Vorstellung Ende der Sechzigerjahre sensationell war, dass   – zumindest theoretisch   – jeder Maisbauer in Mexiko mit Frank Sinatra über sechs Ecken bekannt ist, wurde das Experiment einige Male wiederholt. 1968 etwa wurden in einem vergleichbaren Versuch 217   Pakete verschickt, von denen 64 binnen weniger Tage ihr Ziel erreichten. Zwei Jahre darauf sollten 270 weißhäutige Absender einen Brief an eine schwarze Zielperson schicken und umgekehrt. Obwohl es 1970 in den USA noch starke Ressentiments zwischen den ethnischen Bevölkerungsgruppen gab, erreichte auch hier ein Teil der Post bei im Schnitt sechs Zwischenstationen den Empfänger. Allerdings längst nicht alle: So kamen bei einem Afroamerikaner nur 13   Prozent der Briefe an, im umgekehrten Fall waren es immerhin schon 33   Prozent.
    Entsprechend stark war die Kritik an Milgrams Untersuchung. Zu hoch sei die Rate der verschollenen Briefe und zu sehr blieben die Versuche auf Nordamerika beschränkt. Wissenschaftlich lässt sich die These also kaum halten. Man darf durchaus bezweifeln, dass jemand aus, sagen wir, Buxtehude dieselbeChance gehabt hätte, den Bostoner Börsenhändler binnen sechs Kontakten zu erreichen. Die Erfolgsaussichten dürften eher im Promillebereich liegen   – damals jedenfalls.
    Heute jedoch sieht das anders aus. Als der amerikanische Psychologe Duncan Watts einige Dekaden später in einem gigantischen Experiment 61   000   Freiwillige aus 166   Ländern dafür gewann, E-Mails so lange weiterzuleiten, bis diese 18 vorbestimmte Personen erreichten, von denen sie lediglich Namen, Beruf und Wohnort kannten, brauchten die Mails kaum noch sechs Umleitungen. Oft vergingen nur wenige Stunden, schon machte es »ping« im Postfach des Empfängers. Eine O 2-Studie unter der Leitung von Jeff Rodrigues aus dem Jahr 2008 kam gar zu dem Ergebnis, dass soziale Netzwerke im Internet die Milgram’schen sechs Ecken auf drei reduziert haben.
    Wir halten selbst diesen Wert für überholt. Milgrams kühne Vision von der kleinen Welt ist im digitalen Dorf längst Realität.
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