Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
Autoren: S. J. Watson
Vom Netzwerk:
mich.
    »Ich liebe dich, Christine«, sagt er, und obwohl ich weiß, dass ich jetzt eigentlich das Gleiche zu ihm sagen sollte, schweige ich. Ich sage nichts. Wie kann ich ihn lieben? Er ist ein Fremder. Nichts ergibt irgendeinen Sinn. Ich will so vieles wissen. Wie ich hier gelandet bin, wie ich mit dem Leben zurechtkomme. Aber ich weiß nicht, wie ich fragen soll.
    »Ich habe Angst«, sage ich.
    »Ich weiß«, erwidert er. »Ich weiß. Aber das brauchst du nicht, Chris. Ich bin für dich da. Ich werde immer für dich da sein. Alles wird gut. Vertrau mir.«
    ***
    Er sagt, er will mir das Haus zeigen. Ich fühle mich ruhiger. Ich habe einen Slip und ein altes T-Shirt angezogen, das er mir gegeben hat, mir dann den Morgenmantel um die Schultern gelegt. Wir treten auf den Flur. »Das Bad hast du ja schon gesehen«, sagt er und öffnet die Tür daneben. »Hier ist das Arbeitszimmer.«
    Ich sehe einen Schreibtisch mit einer Glasplatte und darauf etwas, das ein Computer sein muss, obwohl es lächerlich klein ist, eher wie ein Spielzeug. Daneben steht ein Aktenschrank in Stahlgrau, darüber hängt ein Wandplaner. Alles ist sauber, ordentlich. »Hier arbeite ich manchmal«, sagt er und schließt die Tür. Wir überqueren den Flur, und er öffnet eine andere Tür. Ein Bett, eine Frisierkommode, Kleiderschränke. Alles sieht fast genauso aus wie in dem Zimmer, in dem ich aufgewacht bin. »Manchmal schläfst du hier«, sagt er, »wenn dir danach ist. Aber normalerweise wachst du nicht gern allein auf. Du kriegst Panik, wenn du nicht erkennen kannst, wo du bist.« Ich nicke. Ich fühle mich wie eine Mietinteressentin, der man eine neue Wohnung zeigt. Eine mögliche Mitbewohnerin. »Gehen wir nach unten.«
    Ich folge ihm die Treppe hinab. Er zeigt mir ein Wohnzimmer – braunes Sofa mit passenden Sesseln, ein flacher, an der Wand befestigter Bildschirm, der, wie er mir erklärt, ein Fernseher ist –, Esszimmer, Küche. Alles ist mir fremd. Ich empfinde gar nichts, nicht mal, als ich auf einem Sideboard ein gerahmtes Foto von uns beiden sehe. »Hinterm Haus haben wir einen Garten«, sagt er, und ich schaue durch die Glastür in der Küche nach draußen. Es wird gerade erst hell, der Nachthimmel färbt sich tintenblau, und ich kann die Silhouette eines großen Baumes und eine Hütte am hinteren Ende eines kleinen Gartens erkennen, aber sonst nichts. Mir wird klar, dass ich nicht mal weiß, in welchem Teil der Welt wir sind.
    »Wo sind wir hier?«, frage ich.
    Er tritt hinter mich. Ich kann uns beide als Spiegelung in der Scheibe sehen. Mich. Meinen Mann. Beide mittleren Alters.
    »Nordlondon«, antwortet er. »Crouch End.«
    Ich trete zurück. Panik steigt hoch. »Verdammt«, sage ich. »Ich weiß noch nicht mal, wo ich lebe …«
    Er nimmt meine Hand. »Keine Sorge. Alles wird gut.« Ich drehe mich zu ihm um, sehe ihn an und warte darauf, dass er mir erklärt, wie, wie denn alles gut werden soll, aber er tut es nicht. »Soll ich dir deinen Kaffee machen?«
    Einen Moment lang bin ich wütend auf ihn, doch dann sage ich: »Ja. Ja, bitte.« Er füllt einen Wasserkessel. »Schwarz bitte«, sage ich. »Ohne Zucker.«
    »Ich weiß«, sagt er und lächelt mich an. »Möchtest du Toast?«
    Ich sage ja. Er muss so viel über mich wissen, trotzdem fühle ich mich wie am Morgen nach einem One-Night-Stand: Frühstück mit einem Fremden in seinem Haus, abtaxieren, wann man endlich die Flucht antreten und nach Hause gehen kann.
    Aber das ist der Unterschied. Angeblich ist das hier mein Zuhause.
    »Ich glaube, ich muss mich hinsetzen«, sage ich. Er sieht mich an.
    »Mach es dir doch schon mal im Wohnzimmer bequem«, sagt er. »Ich bring den Kaffee dann rüber.«
    Ich gehe aus der Küche.
     
    Einige Augenblicke später kommt Ben mir nach. Er gibt mir ein Buch. »Das ist ein Album«, sagt er. »Es könnte dir helfen.« Ich nehme es ihm aus der Hand. Es hat einen Plastikeinband, der wie altes Leder aussehen soll, es aber nicht tut, und drum herum ist eine unordentlich gebundene Schleife. »Bin gleich wieder da«, sagt er und geht aus dem Raum.
    Ich setze mich auf das Sofa. Das Album liegt schwer auf meinem Schoß. Es mir anzusehen, kommt mir vor, als würde ich rumschnüffeln. Ich sage mir, dass das, was da drin ist, mit mir zu tun hat. Mein Mann hat es mir gegeben.
    Ich löse die Schleife und schlage eine beliebige Seite auf. Ein Foto von mir und Ben, auf dem wir sehr viel jünger aussehen.
    Ich knalle das Album zu. Ich fahre mit den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher