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Ich blogg dich weg!

Ich blogg dich weg!

Titel: Ich blogg dich weg!
Autoren: Agnes Hammer
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vorsichtig die Bettdecke zurück. Mein rechter Oberschenkel war fast schwarz, ebenso meine linke Hüfte. Ich drehte mein Fußgelenk, dann beugte und streckte ich mein Knie. Alle Knochen fühlten sich heil an. Nur diese Blutergüsse, so als hätte ich mich mit dunkellila Farbe angemalt. Ich drückte daran herum, bis der Schmerz mir wie ein Messer ins Fleisch fuhr. Dann streifte ich die Bettdecke darüber. In der Schublade lag mein altes Handy, inklusive Ladegerät. Klar, ich hatte es seit mindestens zwei Jahren nicht mehr benutzt. Wieso nicht mein Smartphone? Schon wieder musste ich vor Wut zittern. Was dachte meine Mutter sich? Dass alles gut werden würde, wenn ich nicht mehr ins Internet ging?
    SEBASTIAN
    Dreißig Songs, alle aus den Charts, meine momentane Playlist, das war doch ganz unverfänglich, oder? Ich synchronisierte die Liste mit meinem alten MP3-Player, aber bevor ich ihn von meinem Computer stöpselte, zog ich noch einen weiteren Song rüber: True Colours , das war unser Lied, ein Liebeslied. War das zu kitschig? Zu sehr Achtziger? Ich atmete einmal tief durch, dann fügte ich dieses Lied hinzu und beobachtete den wachsenden grünen Balken.
    Ich steckte den MP3-Player in die Tasche und machte mich auf den Weg zum Krankenhaus.
    Julie saß auf ihrem Bett. Sie trug einen Trainingsanzug, der mal Noah gehört hatte, und zappte durch das Fernsehprogramm. Die Bettdecke hatte sie zurückgeschlagen. Als sie mich sah, lächelte sie schief.
    In dem Bett neben ihr lag eine Frau um die vierzig und las einen Krimi. Eines ihrer Beine hing wie an einem Flaschenzug an der Decke. Sie schaute mich erwartungsvoll an, sah dann aber auf die Uhr an ihrem Handgelenk und wandte sich schulterzuckend wieder ihrem Buch zu.
    Ich wollte Julie gerne anfassen und an mich drücken, aber so begrüßten wir uns nie, und so streckte ich meine Hände aus und Julie nahm eine und wir schüttelten uns die Hand. Was für ein Quatsch! Ich setzte mich ans Bettende. Fast hätte ich ihr die Hand aufs Bein gelegt und beruhigend darüber gestrichen.
    „Jasmina kommt auch gleich“, sagte ich.
    „Oh, schön.“
    Den MP3-Player legte ich auf den Nachttisch. „Für dich“, sagte ich überflüssigerweise.
    „Danke.“
    Ich hatte plötzlich viel damit zu tun, mir den rauen Verputz der Krankenhauswand neben ihrem Bett ziemlich genau einzuprägen.
    „Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte Julie. „Ist vielleicht ein bisschen eklig, aber kannst du mir die Strümpfe und Schuhe anziehen?“
    Ihre Schuhe standen im Nachttisch, in jedem ringelte sich ein Strumpf.
    „Die hier?“
    „Ich kann mich nicht gut bücken“, sagte Julie entschuldigend, während ich ihre Socken über ihre Knöchel zupfte. „Aber ich muss hier mal raus.“
    „Wie ist es denn überhaupt passiert?“, fragte ich und zog die Schnürsenkel der Schuhe so weit auseinander, dass ihre Füße bequem hineingleiten konnten.
    Julie hatte genug damit zu tun, aufzustehen und auf ihrer Krücke zu balancieren, vielleicht tat sie aber auch nur so, um meine Frage nicht zu beantworten.
    „Danke“, presste sie zwischen ihren Zähnen hindurch. „Eigentlich darf ich höchstens zum Klo humpeln.“
    Ich war mir sicher, dass die Frau mit dem Krimi gar nicht las, sondern uns beobachtete.
    „Denk dran, dass es um sechs Uhr Abendessen gibt“, sagte sie zu Julie. „Und bestimmt taucht deine Mutter gleich auf.“
    Julie nickte ihr zu und humpelte tapfer weiter. Wir fuhren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und kurz darauf standen wir vor dem Krankenhaus. Ein paar traurige Gestalten in Bademänteln standen herum und zogen an ihren Zigaretten.
    Julie humpelte weiter über den Kies, der auf dem kleinen Rundweg ausgestreut war. Wir bewegten uns langsam wie zwei Schnecken über den Pfad, bis wir zu einer Parkbank kamen.
    „Lass uns eine Pause machen“, meinte Julie. Ich hatte bis jetzt gedacht, dass sie in ihrer dünnen Trainingsjacke eher frieren würde, aber die kurze Strecke hatte sie so viel Kraft gekostet, dass ihr die Röte ins Gesicht gestiegen war.
    Jetzt plumpste sie auf die Bank und machte ein paarmal „Puh!“.
    „Alles gut?“, fragte ich.
    „Klar.“
    Ich setzte mich neben sie und legte meinen Arm um sie.
    „Tut das weh?“, fragte ich.
    Statt einer Antwort legte sie ihren Kopf an meine Schulter.
    „Du bist schön warm.“ Also war ihr doch kalt.
    „Nach der Probe habe ich Lisa getroffen. Ich hatte keine Lust, euch zuzuhören, weißt du?“
    „Ja.“ Ich schämte mich ein
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