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Ich blogg dich weg!

Ich blogg dich weg!

Titel: Ich blogg dich weg!
Autoren: Agnes Hammer
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es immer noch sein Gelaber von freier Meinungsäußerung. Immer noch war das YouTube -Video verlinkt und auch das Video, in dem Ela stürzt und ich darüber lachen muss. Der letzte Eintrag war von vorgestern, vielleicht interessierte das keinen mehr.
    Ich blätterte durch die Screenshots, die ich von dem gefakten Profil für Rolf gemacht hatte. Ich kannte sie fast auswendig.
    Die E-Mails hob ich mir immer bis zum Schluss auf. Obwohl der Stüpp mir seit Wochen nicht geschrieben hatte, fing mein Herz an zu klopfen, sobald ich mein Passwort eingegeben hatte. So hatte es angefangen, auch wenn das außer mir niemand wusste. Ich klickte eine Mail nach der anderen an. Vom Stüpp war keine dabei. Dann öffnete ich die, die ich gespeichert hatte. Ich wusste, dass ich das nicht sollte. Lieber sollte ich noch mal die ganzen netten Grüße und Wünsche lesen, die auf meinem echten Profil gepostet waren. Aber irgendetwas, was stärker war als ich, zog mich zu diesen Mails wie eine starke kalte Strömung in einem Badesee. Dann schaltete ich den Computer aus.
    Inzwischen war die Schwellung in der Leistengegend so weit zurückgegangen, dass ich mir wieder selbst die Turnschuhe anziehen konnte, wenn ich den Kopf dabei ruhig hielt. Die Socken ließ ich einfach weg.
    Frau Teichert, die Frau mit dem gebrochenen Bein, die immer in einem Krimi las, sah nicht mal auf, als ich zur Tür hinaushumpelte. Ich ging langsam bis zur Bank, auf der Sebastian und ich uns geküsst hatten. Das war gestern gewesen, verdammt, das war echt gewesen! Und aufregend, und schön. Aber ich hatte nichts Besseres zu tun, als im Netz herumzustochern und mir diese ganzen Geschichten wieder reinzuziehen. Ich schaute auf die Bademantelraucher vor dem Krankenhauseingang. Ich war genauso süchtig wie sie.
    SEBASTIAN
    „Du kannst es dir aussuchen“, sagte ich. Ich hielt Conrad am Kragen seines gestreiften Hemdes fest. „Sonst äußere ich mal frei meine Meinung, aber sehr frei.“
    Er blinzelte hinter seinen dicken Brillengläsern wie ein Maulwurf, den man aus seinem Bau gezogen hat.
    „Morgen ist die Seite vom Server, klar?“
    „Natürlich.“ Conrad nickte unterwürfig. „Ich gehe sofort nach Hause und lösche sie.“
    Das war mein allerliebster Tagtraum. Aber in Wirklichkeit hatte ich seit Tagen nicht mit Conrad gesprochen. Er war auch nicht das Problem, mein eigentliches Problem war Ela, die mich verfolgte. Ständig stand sie mir im Weg herum und jedes Mal weiteten sich ihre Augen leidvoll.
    Einerseits hätte ich sie gerne angeschrien, aber andererseits – ich hatte sie verletzt und dadurch hatte sie irgendeine Macht über mich. Das machte mich wütend, und dann riss sie ihre Augen noch weiter auf und legte den Kopf zur Seite, und mir fiel ein, wie verrückt ich früher danach gewesen war, sie anzufassen und zu küssen, obwohl ich gar nicht daran denken wollte.
    „Du lässt Julie in Ruhe“, formulierte ich probeweise in meinem Kopf.
    „Aber ich mache doch gar nichts!“, würde Ela dann sagen und diese riesengroßen Kulleraugen machen. Nicht mal in meiner Fantasie stimmte sie mir zu. Am liebsten hätte ich ihr eine runtergehauen, aber das würde alles noch viel schlimmer machen.
    Bevor ich an die Tür von Julies Krankenzimmer klopfte, vertrieb ich meine Fantastereien mit einem kurzen Kopfschütteln. Julie trug wieder den Trainingsanzug. Jasmina saß auf dem einzigen Stuhl, den es im Zimmer gab. Das Bett, in dem letztes Mal die Krimileserin gelegen hatte, war leer.
    „Oh“, sagte meine Schwester. „Ich wusste gar nicht, dass du auch noch kommst.“
    „Hallo!“, sagte Julie. Ich ging zu ihr hin und gab ihr einen Kuss.
    „Oh, oh!“, machte Jasmina. „Dann gehe ich mal besser.“
    „Quatsch, bleib doch noch“, bat Julie.
    Ich sagte nichts, denn ich wollte mit Julie alleine sein.
    „Ist sie entlassen?“, fragte ich, als Jasmina gegangen war, und deutete auf das leere Bett.
    „Sie bekommt heute die Nägel raus. Ist wahrscheinlich noch im OP.“
    „Gut“, sagte ich und begann, Julie zu küssen. Aber dieses Mal küsste sie nicht zurück.
    „Was ist los?“, fragte ich. „Stimmt was nicht? Oder ist was im Netz?“
    „Nein“, sagte Julie. „Es lässt mich nur einfach nicht los. Es ist wie eine Sucht, das habe ich eben auch schon zu Jasmina gesagt. Sobald ich allein bin, kontrolliere ich, ob es was Neues gibt. Ein neues Profil, ein neues Video, eine neue Mail.“
    „Mails? Wer schreibt dir Mails? Ela?“
    „Nein, Ela nicht, glaube ich
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