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Ich blogg dich weg!

Ich blogg dich weg!

Titel: Ich blogg dich weg!
Autoren: Agnes Hammer
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war anscheinend festgeschnallt.
    „Hast du auf das Auto gewartet?“, fragte der, den ich kaum erkennen konnte. Er stand hinter dem mit der Taschenlampe und raschelte mit Papier. Wahrscheinlich machte er sich Notizen.
    „Bin nur gelaufen“, sagte ich. „Einfach so.“
    „Aha“, machte er.
    „Mitten in der Nacht?“, fragte der Taschenlampenmann. „Warum?“ Er musterte meine Jeans, die leider an mehreren Stellen aufgerissen war.
    „Warst du allein?“, fragte der andere.
    Ich schüttelte langsam meinen schmerzenden Kopf.
    „Aber das Auto hättest du doch sehen müssen, oder?“
    „Hast du wirklich nicht auf das Auto gewartet?“
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Da war ja ein Licht gewesen und ich war darauf zugelaufen. Aber warum, das konnte ich jetzt nicht mehr genau sagen.
    Sie fragten mich weiter aus und allmählich wurde mir klar, worum es ihnen ging. Sie dachten an einen Selbstmordversuch und wollten wissen, ob ich in dieser Hinsicht gefährdet sei.
    „Ich wollte mich nicht umbringen“, sagte ich. Irgendwoher wusste ich – wahrscheinlich von meiner Mutter –, dass man, wenn man irgendwelche Selbstmordabsichten äußerte, in eine geschlossene psychiatrische Abteilung kam. Und schon gar nicht durfte ich hier erzählen, dass ich vor einem knackenden Ast weggerannt war.
    Das Licht im Wagen war so hell, neben mir standen Geräte, die wahrscheinlich gebraucht wurden, wenn wirklich etwas passiert war. Mir dagegen fehlte gar nichts. Mir tat nur furchtbar die rechte Seite weh. Ich spürte mein rechtes Bein überhaupt nicht.
    „Wir nehmen sie mit“, sagte der mit der Taschenlampe.
    „Klar, ja“, sagte der andere. „Hier ist auch alles erledigt.“
    Dann fuhren wir und ich starrte an die weiße Decke. Es ging langsam vorwärts, das Blaulicht und die Sirene blieben ausgeschaltet, und nur manchmal, in einer Kurve, wurde mein Körper gegen die harte Seitenabdeckung der Trage gedrückt. Wir fuhren durch die Nacht, alles kam mir unendlich friedlich vor, sogar das Gesicht des Taschenlampenmannes, der mich beobachtete. Ich sah ihn nicht direkt an, sondern betrachtete die weiße Decke, bis mir die Augen zufielen.
    Ich wurde erst wieder wach, als jemand meine Hand nahm und sie festhielt. Ich drückte zurück, aber ich war noch zu müde, um die Augen zu öffnen. Es fühlte sich ganz vertraut an. Es tat einfach so gut, hier zu liegen und diese warme Hand in meiner zu fühlen. Sie würde mir nichts tun, da war ich sicher.
    „Bist du wach?“, fragte meine Mutter.
    „Hm“, murmelte ich.
    „Du bist im Krankenhaus“, sagte meine Mutter leise. „Aber nur zur Beobachtung.“
    „Hm.“
    Die Hand blieb in meiner und ich schlief wieder ein. Ich hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen, in jedem Knochen fühlte ich eine tiefe Müdigkeit.
    „Sie haben dir Schmerzmittel gegeben. Aber gebrochen ist nichts. Wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung“, erzählte mir meine Mutter. „Spätestens nächste Woche …“
    Ich sank tiefer in die Matratze und kniff die Augen fest zu. Es reichte mir schon, dass ich jetzt in einem warmen Bett war und schlafen konnte. Ich wollte gar nicht wissen, wann ich unter dieser Decke wieder hervorkriechen musste. Hier ist alles gut, dachte ich, und als meine Mutter sich zu mir herabbeugte und mir einen Kuss auf die Wange gab, hielt ich die Augen immer noch geschlossen.
    „Bin eigentlich im Dienst“, flüsterte meine Mutter mir zu. „Ich bringe dir heute Nachmittag ein paar Sachen.“
    Ich versuchte, ihre Hand festzuhalten.
    „Dein Handy ist in der Nachttischschublade, falls dir noch was einfällt, was du gerne hierhaben möchtest.“ Damit verabschiedete sie sich. Die quietschenden Sohlen ihrer Dienstschuhe wurden leiser und dann fiel eine Tür zu. Jetzt war es still, ganz still, so, dass es in meinem Ohr rauschte, das ich neben dem Kissen auf die Matratze gedrückt hatte. Ich schlief wieder ein.
    Aber als ich das nächste Mal aufwachte, hatten anscheinend die Schmerzmittel ihre Wirkung verloren oder ich hatte mich endlich genug ausgeruht. Mich weckte jedenfalls eine wahnsinnige Wut. Ich schwitzte und zitterte unter meiner Decke, noch bevor ich ganz wach war. Am liebsten hätte ich geschrien und irgendetwas gegen die Wand geschmissen. Mit einem Ruck setzte ich mich auf und wollte aus dem Bett springen, aber das ging nicht so einfach. In meinem Kopf dröhnte es, als sei er ein Resonanzboden und vibriere bei jeder meiner Bewegungen nach. Dann eben nicht, dachte ich und zog
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