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Ich bin Zlatan Ibrahimović

Ich bin Zlatan Ibrahimović

Titel: Ich bin Zlatan Ibrahimović
Autoren: Lagercrantz David
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enorme Demütigung, und Mama war am Boden zerstört. Sollte sie auch uns verlieren? Es war eine Katastrophe. Sie weinte und weinte, und klar, sie hatte uns mit Holzlöffeln verprügelt und uns Ohrfeigen verpasst und nicht auf uns gehört, und sie hatte Pech mit ihren Männern gehabt, und nichts lief, wie es sollte, und all das. Aber sie liebte ihre Kinder. Sie war eben selbst in rauen Verhältnissen aufgewachsen, und ich glaube, dass Vater das begriff. Er ging am selben Nachmittag zu ihr:
    »Ich will nicht, dass du sie verlierst, Jurka.«
    Aber er verlangte, dass sie sich anstrengte, und in solchen Situationen ist nicht mit ihm zu spaßen. Es fielen bestimmt harte Worte. »Wenn es nicht besser wird, siehst du die Kinder nicht mehr wieder« und dergleichen, und was genau geschah, weiß ich nicht. Aber Sanela wohnte ein paar Wochen bei Papa, und ich blieb bei Mama, trotz allem. Keine gute Lösung. Sanela ging es bei Vater nicht gut. Wir fanden ihn zu der Zeit schlafend auf dem Fußboden, und auf dem Tisch standen Bierdosen und Flaschen. »Papa, wach auf, wach au f !« Aber er schlief weiter. Es war komisch, fand ich. Warum tat er so was? Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Aber wir wollten helfen. Vielleicht fror er? Wir deckten ihn mit Handtüchern und Decken zu, damit er warm würde. Im Übrigen begriff ich nicht viel davon. Vermutlich begriff Sanela mehr. Sie hatte gemerkt, wie seine Stimmungen schwankten und wie er explodierte und brüllte wie ein Bär, und ich glaube, das machte ihr Angst. Außerdem vermisste sie den kleinen Bruder. Sie wollte wieder zu Mama zurück, während es für mich umgekehrt war. Ich sehnte mich nach dem Vater, und an einem dieser Abende rief ich ihn an und klang sicher verzweifelt. Es war einsam geworden ohne Sanela.
    »Ich will nicht hier sein. Ich will bei dir wohnen.«
    »Komm her«, sagte er. »Ich schicke ein Taxi.«
    Es gab neue Untersuchungen vom Sozialamt, und im März 1991 erhielt Mama das Sorgerecht für Sanela und Papa das für mich. Wir wurden getrennt, meine Schwester und ich, haben aber immer zusammengehalten, oder genauer gesagt, es ging auf und ab. Aber im Grunde sind wir uns unglaublich nah. Sanela ist heute Friseurin, und manchmal kommen Leute in ihren Salon und sagen: »Mein Gott, wie ähnlich du Zlatan siehst!«, und dann antwortet sie immer: »Quatsch, er ähnelt mir.« Sie ist kernig. Aber weder sie noch ich haben es leicht gehabt. Mein Vater, Šefik, war 1991 vom Hårds Väg in Rosengård zum Värnhemstorg in Malmö gezogen, und so viel ist wohl bis hierhin schon klar geworden, er hat ein großes Herz, er würde für uns sterben. Aber es kam nicht so, wie ich es erwartet hatte. Ich kannte ihn als den Sonntagspapa, der Hamburger und Softeis kaufte.
    Jetzt sollten wir den Alltag miteinander teilen, und ich merkte sofort: Es war leer bei Vater. Es fehlte etwas, vielleicht eine Frau. Es gab einen Fernseher, eine Couch, ein Bücherregal, zwei Betten. Aber keine Extras, keine Wohnlichkeit, auf dem Tisch standen Bierdosen, und auf dem Fußboden lag Müll herum, und wenn Vater sich einmal einen Ruck gab und tapezierte, wurde nur eine Wand fertig, nach dem Motto: »Den Rest mach ich morgen!« Aber dazu kam es nicht, und wir zogen oft um, und nie gelang es uns, eine Ordnung zu schaffen. Aber es war auch auf andere Art und Weise leer.
    Vater war Hausmeister mit der anstrengendsten Schicht, und wenn er nach Hause kam in seinen Schreinerhosen, die ganzen Taschen voller Schraubenzieher und Werkzeuge, setzte er sich ans Telefon oder vor den Fernseher und wollte nicht gestört werden. Er war in seiner Welt, und häufig setzte er Kopfhörer auf und hörte jugoslawische Volksmusik. Er ist verrückt nach der Jugomusik. Er hat selbst ein paar Kassetten eingespielt. Wenn er in Stimmung ist, wird er zum Showman. Aber er war meistens in seiner eigenen Welt, und wenn meine Leute sich meldeten, fauchte er sie an: »Ruft hier nicht an!«
    Ich durfte meine Kumpel nicht mitbringen, und wenn sie nach mir gefragt hatten, erfuhr ich nichts davon. Das Telefon war nicht für mich, und ich hatte zu Hause eigentlich niemanden, mit dem ich hätte reden können, oder na ja, wenn es etwas Ernstes war, dann war Vater für mich da. Dann tat er alles Mögliche, machte sich auf in die Stadt mit seinem ganzen Mackergehabe und versuchte, alles in Ordnung zu bringen.
    Er hatte eine Art zu gehen, die die Leute stutzen ließ: Wer ist das denn, zum Teufel? Aber all das Gewöhnliche, was in der Schule passiert
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