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Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse

Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse

Titel: Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
Autoren: Thomas A. Harris
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anderen Punktes brachte ihn dazu, einen Mann und einen Hund zu sehen, die bei ihm zu Hause auf dem Lande eine Straße entlanggingen. Eine Patientin hörte eine Stimme, die sie nicht recht verstehen konnte, als die erste Schläfenwindung anfangs stimuliert wurde. Als die Elektrode an etwa dem gleichen Punkt wieder angesetzt wurde, hörte sie deutlich eine Stimme, die «Jimmie, Jimmie» rief – Jimmie war der Name ihres Mannes, mit dem sie erst seit kurzem verheiratet war.
    Eine von Penfields bedeutsamen Folgerungen war, dass die Elektrode eine einzelne Erinnerung hervorrief und nicht eine Mischung von Erinnerungen oder eine Verallgemeinerung.
    Eine weitere Schlussfolgerung Penfields war, dass die Reaktion auf die elektrische Reizung unwillkürlich erfolgte:
    «Unter dem zwingenden Einfluss der Sonde erschien im Bewusstsein des Patienten ein bekanntes Erlebnis, ob er nun seine Aufmerksamkeit darauf konzentrieren wollte oder nicht. Ein Lied ging ihm durch den Kopf, wahrscheinlich so, wie er es bei einer bestimmten Gelegenheit gehört hatte: Er fand sich als Teil einer bestimmten Situation, die sich entwickelte, genau wie die ursprüngliche Situation es getan hatte. Für ihn war es die Szene aus einem bekannten Stück, und er selbst war Schauspieler und das Publikum zugleich.»
    Die vielleicht wichtigste Entdeckung war, dass nicht nur vergangene Ereignisse detailliert aufgezeichnet werden, sondern auch die Gefühle, die mit diesen Ereignissen verbunden waren. Ein Ereignis und das Gefühl, das von diesem Ereignis ausgelöst wurde, sind im Gehirn unauflösbar miteinander verwoben, sodass eines nicht ohne das andere hervorgerufen werden kann.
    «Der Patient», schreibt Penfield, «empfindet wieder die Emotion, die ursprünglich die Situation in ihm bewirkt hatte, und er ist sich der gleichen Interpretationen bewusst, ob sie nun falsch oder richtig waren, die er zuerst auf das Erlebnis anwandte. Darum ist eine hervorgerufene Erinnerung nicht die genaue fotografische oder phonographische Reproduktion vergangener Ereignisse. Sie reproduziert das Ganze: was der Patient sah, hörte, fühlte und verstand.»
    Erinnerungen werden durch die Sinnesreize aus unserer Alltagsumwelt fast ebenso hervorgerufen wie durch die elektrische Reizung mit Penfields Sonde. In beiden Fällen muss die auftauchende Erinnerung genauer als ein
Wiedererleben
statt als ein Wiederbeleben gesehen werden. Als Reaktion auf einen Reiz wird ein Mensch momentan in die Vergangenheit versetzt. Ich bin dort! Diese Realität kann den Bruchteil einer Sekunde oder aber viele Tage lang dauern. Nach diesem Erlebnis kann ein Mensch sich dann bewusst daran
erinnern
, dass er dort war. Die Reihenfolge bei der Gedächtnisarbeit ist: 1. 
Wiedererleben
(spontanes, unwillkürliches Empfinden), 2. 
Wiedererinnern
(bewusstes, gewolltes Nachdenken über das vergangene Ereignis, das gerade wiedererlebt wurde). An vieles, was wir wiedererleben, können wir uns nicht erinnern!
    Die folgenden Berichte zweier Patienten illustrieren, wie gegenwärtig empfangene Reize vergangene Gefühle wecken.
    Eine vierzigjährige Patientin berichtete, dass sie eines Morgens eine Straße entlangging und aus einem Geschäft ein paar Takte Musik hörte, die in ihr eine überwältigende Melancholie auslösten. Sie fühlte, wie sie von einer Traurigkeit übermannt wurde, die sie nicht verstehen konnte und deren Intensität «fast unerträglich» war. Mit ihren bewussten Gedanken konnte sie sich das nicht erklären. Nachdem sie mir das Gefühl beschrieben hatte, fragte ich sie, ob es etwas in ihrem früheren Leben gegeben habe, woran das Lied sie erinnerte. Sie sagte, sie könne keinen Zusammenhang zwischen dem Lied und ihrer Traurigkeit sehen. Ein paar Tage später rief sie mich an und erzählte mir, dass sie das Lied immer wieder vor sich hin gesummt hatte und dabei plötzlich von einer Erinnerung überfallen worden war, in der sie ihre Mutter am Klavier sitzen sah und hörte, wie sie dieses Lied spielte. Die Mutter war gestorben, als die Patientin fünf Jahre alt gewesen war. Damals hatte der Tod der Mutter eine tiefe Depression ausgelöst, die über einen längeren Zeitraum anhielt, obwohl ihre Angehörigen sie immer wieder dazu bringen wollten, ihre Zuneigung auf eine Tante zu übertragen, welche die Mutterrolle übernommen hatte. Die Patientin hatte sich bis zu dem Tag, an dem sie an dem Laden vorbeigegangen war, nie an das Lied erinnert oder daran, dass ihre Mutter es gespielt hatte. Ich fragte
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