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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott
Autoren: Giorgio Faletti
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Vivien bezog nun auch den Jungen in ihre Anweisungen mit ein.
    » Tut, was ich euch sage, alle beide. Versammelt alle Mädchen und Jungen und geht so weit wie möglich vom Haus weg. Verstanden? So weit wie möglich weg vom Haus.«
    » In Ordnung.«
    » Wo ist Pater McKean?«
    Sundance deutete zum Dachgeschoss.
    » In seinem Zimmer. Mit John.«
    » O nein.«
    Als wollte er den spontanen Ausruf bekräftigen, drang der unverwechselbare Knall eines Schusses aus dem Haus, trocken und hart. Vivien richtete sich auf und hatte plötzlich die Pistole in der Hand, als wären die beiden Bewegungen eine einzige.
    » Los, geht. Lauft, so schnell ihr könnt.«
    Vivien rannte zum Haus. Russell folgte ihr. Sie hörte ihre Schritte auf dem Kies knirschen, ein unerträgliches Geräusch in diesem Moment. Als sie durch die Glastür lief, stand sie plötzlich vor einer Gruppe Jugendlicher, die die Treppe hinaufstarrten, dorthin, von wo der Schuss gekommen war.
    Verstörte, neugierige Gesichter. Erschrockene Gesichter angesichts der Pistole in Viviens Hand. Obwohl alle sie kannten, hielt sie es für angebracht, ihre Anwesenheit in einer Weise zu rechtfertigen, die ihnen Vertrauen einflößen würde.
    » Polizei. Ich kümmere mich darum. Raus hier, allesamt, so weit wie möglich weg vom Haus. Schnell.«
    Die Jugendlichen ließen sich das nicht zweimal sagen und liefen verstört hinaus. Vivien hoffte, dass Sundance die Nervenstärke und die Überzeugungskraft besaß, um sie zu beruhigen und in Sicherheit zu bringen.
    Mit gezogener Pistole schlich sie die Treppe hinauf.
    Russell war hinter ihr. Russell war bei ihr.
    Stufe um Stufe näherten sie sich dem ersten Stock, in dem sich die Zimmer der Jugendlichen befanden. Im Flur war kein Mensch zu sehen. Wahrscheinlich waren alle unterwegs und gingen ihren alltäglichen Verrichtungen nach, denn der Schuss hätte jeden aus seinem Zimmer gelockt. Vivien blickte aus dem Fenster und sah eine Gruppe Jungen und Mädchen die Straße entlanglaufen und aus ihrem Blickfeld verschwinden.
    Die Erleichterung dämpfte ihre Aufmerksamkeit nicht.
    Sie spitzte die Ohren und lauschte. Keine Stimmen, keine Klagen, nur der Nachhall des Schusses im Treppenhaus. Vivien ging weiter und betrat nun die Treppe zum Dachgeschoss. Oben konnte man eine geöffnete Tür erahnen.
    Sie schlichen mit angehaltenem Atem hinauf. Oben angekommen, lehnte sich Vivien einen Augenblick gegen die Wand, holte tief Luft und trat dann mit erhobener Pistole ins Zimmer.
    Der Anblick ließ sie schaudern. Pater McKean lag mit einem Einschussloch in der Stirn auf dem Boden. Die offenen Augen waren wie erstaunt zur Decke gerichtet. Unter seinem Kopf breitete sich eine Blutlache aus. John saß mit einer Pistole in der Hand auf einem Hocker und sah sie mit leeren Augen an.
    » Wirf die Waffe weg. Sofort.«
    Vivien hatte automatisch geschrien, doch John stand sichtlich unter Schock und schien weder die Absicht, noch die Kraft zu haben, irgendetwas zu tun. Dennoch umfasste Vivien den Griff ihrer Glock noch fester.
    » Die Pistole weg, John. Sofort.«
    Der Mann sah auf die Pistole hinunter, als würde ihm erst jetzt bewusst, dass er eine in der Hand hielt. Dann öffneten sich seine Finger, und die Waffe fiel zu Boden. Vivien beförderte sie mit einem Tritt zur Seite.
    Mit Tränen in den Augen sah John zu ihr auf. Seine Stimme war klagend.
    » Wir sagen einfach, dass ich es war. So machen wir es. Wir sagen, dass ich es war.«
    Vivien nahm die Handschellen von ihrem Gürtel und legte sie ihm hinter dem Rücken an. Erst dann atmete sie tief durch.
    Russell war in der Tür stehen geblieben und starrte die Leiche in der Blutlache an. Vivien fragte sich, ob er sich im Hier und Jetzt befand oder ob er noch einmal eine Szene aus der Vergangenheit durchlebte.
    Sie ließ ihm Zeit, sich von dem Schreck zu erholen.
    John saß auf dem Hocker, starrte auf den Boden und murmelte noch immer seine unverständliche Litanei. Von seiner Seite brauchte Vivien keine Überraschungen zu befürchten. Dann nahm sie das Zimmer in Augenschein. Ein karger, streng eingerichteter Raum ohne irgendein Zugeständnis an irdische Eitelkeiten, von der Van-Gogh-Reproduktion mal abgesehen. Ein französisches Bett, ein Schreibtisch, eine Kommode, ein abgenutzter Sessel. Und überall Bücher, verschiedene Genres in farbigen Einbänden.
    Auf dem Boden neben dem Schrank ein offener Koffer.
    Ein abgegriffener Umschlag aus dickem, braunem Papier, ein Fotoalbum und eine grüne Militärjacke waren
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