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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott
Autoren: Giorgio Faletti
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mit seiner ruhigen Stimme die Zuhörer in seinen Bann.
    » Was ich bisher gehört habe, gestattet es mir, eine Hypothese zu wagen. Eine endgültige Bestätigung behalte ich mir aber vor, bis ich den Fall eingehender untersucht haben werde. Da ich leider nicht mehr direkt mit der betreffenden Person sprechen kann, muss ich mich auf Zeugenaussagen beschränken und fürchte, dass wir uns für immer im Reich der Spekulation bewegen werden.«
    Er strich sich über den Schnurrbart und suchte offenbar nach für Laien verständlichen Formulierungen.
    » Nach allem, was ich gehört habe, vermute ich, dass Pater McKean an mehreren Störungen litt. Die erste war eine Persönlichkeitsspaltung, die dazu geführt hat, dass er in dem Moment, in dem die andere Person – die mit der grünen Jacke – ins Spiel kam, nicht mehr er selbst war. Um es deutlicher zu sagen: Wenn er die Jacke anzog, spielte er nicht etwa eine Rolle wie ein Schauspieler, sondern wurde wirklich zu einem anderen Menschen. An den er sich, wenn er sich wieder von ihm befreit hatte, nicht mehr erinnern konnte. Seine Besorgnis in Zusammenhang mit all diesen Toten war mit Sicherheit echt. Das zeigt die Tatsache, dass er sich dazu durchgerungen hat, gegen eines der wichtigsten Dogmen seiner Kirche zu verstoßen, gegen das Beichtgeheimnis nämlich. Er wollte, dass der Schuldige verhaftet wird und die Anschläge aufhören.«
    Der Arzt lehnte sich gegen einen Schreibtisch und ließ den Blick schweifen, wie er es vermutlich bei seinen Vorlesungen tat.
    » Oft sind diese Syndrome mit Epilepsie verbunden. Der Begriff soll uns nicht in die Irre führen. Es handelt sich nicht um die Symptome, die wir alle kennen – verdrehte Augen, Schaum vorm Mund, Zuckungen und so. Manchmal hat sie ganz andere Erscheinungsformen. Der Patient kann während der Anfälle zum Beispiel Halluzinationen haben. Deswegen ist es nicht ausgeschlossen, dass Pater McKean in diesen Momenten sein Alter Ego wirklich sah. Dass er ihn beschrieben hat, ist der beste Beweis dafür. Zugleich ist es der Beweis für das, was ich vorher gesagt habe, dass er sich seiner Taten nämlich gar nicht bewusst war.«
    Er drückte die Schultern durch und leitete damit weitere Ausführungen ein.
    » Die Tatsache, dass er die Bauchrednerei beherrschte und in jüngeren Jahren auch damit aufgetreten ist, bestätigt diese Hypothese ebenfalls. Bei einer bestimmten Disposition identifiziert sich der Künstler sehr stark mit seiner Puppe, die für das Publikum der eigentliche Sympathieträger ist. Ihr verdankt sich der künstlerische Erfolg, was sogar Neid oder Hass auslösen kann. Ich weiß von einem Kollegen, dass einer seiner Patienten glaubte, seine Puppe habe ein Verhältnis mit seiner Frau.«
    Er lächelte freudlos.
    » Mir ist schon klar, dass solche Dinge, wenn man sie hört, durchaus amüsant klingen. Sie dürfen mir aber glauben, dass in der Psychiatrie dergleichen an der Tagesordnung ist.«
    Er löste sich vom Schreibtisch und ging wieder umher.
    » Was diesen John Kortighan betrifft, glaube ich, dass er der charismatischen Figur des Pater McKean unwillentlich verfallen war. Er muss ihn derart idealisiert haben, dass er sein Idol töten musste, als er begriff, wer dieser Mann war und was er getan hat. In unserem Gespräch hat er mir sogar vorgeschlagen zu behaupten, dass er selbst für die Attentate verantwortlich sei. Nur um den guten Namen seines Idols und all die wichtigen Dinge, die er in seinem Leben getan hat, rein zu halten. Wie Sie sehen, ist der menschliche Geist …«
    Das Telefon auf dem Schreibtisch des Bürgermeisters klingelte und unterbrach seine Schlussfolgerung. Gollemberg streckte die Hand aus und nahm den Hörer ab.
    » Ja, bitte?«
    Er lauschte einen Moment mit unbewegter Miene.
    » Guten Tag, Sir. Ja, es ist alles vorbei. Ich kann Ihnen versichern, dass für die Stadt keine Gefahr mehr besteht. Es gibt noch ein paar Minen, die wir aber ausfindig und unschädlich gemacht haben.«
    Die Erwiderung seines Gesprächspartners erfreute den Bürgermeister offensichtlich.
    » Vielen Dank, Sir. Ich lasse Ihnen so bald wie möglich einen detaillierten Bericht über diese verrückte Geschichte zukommen. Sobald wir über alle Details im Bilde sind.«
    Er lauschte noch einen Moment.
    » Ja, so ist es. Vivien Light.«
    Er lächelte, offenbar als Reaktion auf die Worte seines Gesprächspartners.
    » In Ordnung, Sir.«
    Der Bürgermeister sah auf und suchte Vivien, dann streckte er ihr zur ihrem großen Erstaunen
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