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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern
Autoren: Anke Willers
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A-Mannschaft. Bei jedem Wetter.« Dabei hätte ich rausgeguckt in den Regen, und die wehen Knie und der dreckige Hals wären gut rübergekommen – als Zeugnis einer intensiven Förderung. So hockey- und hobbylos aber konnte ich mich nur schämen.

(K)alter Schwede!
    Ein Paar Tage Stockholm, zur Mittsommerzeit, ganz ohne Kinder, nur mit dem Angetrauten: geniale Idee!? Dachte ich auch.

    Am Anfang dieses Jahres hatte ich einen guten Vorsatz: Ich wollte mal für ein langes Wochenende mit meinem Mann wegfahren, nur mit meinem Mann! Schön Stadt angucken, schön in Bars sitzen, ungestörte Gespräche, spüren, wie gut man auch nach elf Jahren Ehe zusammenpasst, solche Sachen eben. Am liebsten wollte ich nach Stockholm. Ich mag die Skandinavier, ihre liberale Art, das Wasser, das Design. Und sehen nicht auch Daniel und Victoria in der Bunten immer sehr glücklich aus, wenn sie durch die Stadt joggen?
    Um es kurz zu machen: Wir waren tatsächlich da – ohne Kinder, an Midsommar. Und ich habe Ihnen auch was mitgebracht: Ein ziemlich zuverlässiges Programm, wie man in vier Tagen Ehepflege-Urlaub eine solide Beziehungskrise heraufbeschwört:

Schritt eins: Verbünde dich mit einer ausgewachsenen Schlechtwetter-Front
    Ich hatte Schweden hell und licht in Erinnerung. Stromerte Lisa in Bullerbü nicht barfuß durch den Sommer? Und war nicht auch die Hoppetosse immer bei strahlendem Sonnenschein eingelaufen? Wir landeten bei bewölkten 15 Grad. Am nächsten Tag regnete es. Jochen sagte: »Gehen wir eben ins Nordische Museum und gucken uns die alten Schweden an.« »Na gut«, sagte ich und guckte mir auf dem Weg dahin schon mal die jungen Schwedinnen an. Sie trugen Gummistiefel und Minirock, dazu Mütze. Ich trug Turnschuh und nasse Füße – dazu einen Regenschirm, der von der nächsten Windböe geschrottet wurde. Zusammen mit meiner Laune.
    Jochen zitierte Carl Valentin: »Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.« Und ich stellte fest, dass der Mann an meiner Seite irgendwie nicht zu mir passte – jedenfalls nicht bei Regen.

Schritt zwei: Reise in eines der familienfreundlichsten Länder Europas und lasse deine Kinder zu Hause
    Der Schwede ist Kindern sehr zugeneigt. Das wusste ich vorher. Schließlich kennt man als ELTERN-Redakteurin die europäischen Geburtenraten: Frankreich 2,0, Schweden
1,9 und Deutschland 1,3 Kinder pro Frau. In Stockholm aber stand der statistische Unterschied plötzlich vor mir. Überall – so schien mir – wimmelte es von Kindern: Sommersprossig und schwedenblond saßen sie in Strassenbahnen und hatten putzige Regenmäntel mit roten Prilblumen an. Oder sie stapften in Gummistiefeln am Hafenkai herum und die Eltern stapften entspannt hinterher.
    Das machte mich wehmütig. Wie konnten wir eigentlich auf die Schnapsidee kommen, ohne Clara und Jette nach Stockholm zu fahren. In eine Stadt, wo jedes Café einen Kinderbereich hat, jedes Museum ein pädagogisches Zentrum und jeder H&M eine Riesenklamottenabteilung für die Größen 122 bis 176.
    »Hast du auch gerade Sehnsucht?«, fragte ich Jochen als im Nordischen Museum ein ausgesprochen gut aussehender Schwede sein Baby wickelte. »Nach einer Stinkewindel?«, fragte Jochen. »Nein«, sagte ich, »aber nach dem Gefühl, hier als Familie unterwegs zu sein.«
    »Nö«, sagte mein Mann, »ist doch für Kinder viel zu nass.« Er frage sich vielmehr, wo in Stockholm die alten Leute seien. In der U-Bahn würden wir zwei ja nach 22 Uhr den Altersdurchschnitt rapide erhöhen.
    Ich guckte in den nächsten Spiegel: Tatsächlich, nach all dem Regen hatte ich ältliche Wasserwellen wie Pippis Prusseliese. Und zum zweiten Mal an einem Tag war ich irritiert: Während ich mich wehmütig mit der Abwesenheit meiner Kinder beschäftigte, sinnierte mein Mann
über die Abwesenheit schwedischer Rentner. Tickten wir zwei eigentlich noch richtig?
    »Wir sollten irgendwo hingehen, wo es dunkel ist«, sagte ich und dachte: Vielleicht fallen die Unterschiede da weniger auf: die zwischen jung und alt. Und die zwischen Jochen und mir.

Schritt drei: Finde eine hippe Skybar über den Schären und höre dann dein Handy klingeln
    Wir landeten im Gondolen. Zum Gondolen gehört eine Bar, die wie ein Raumschiff hoch über dem Wasser hängt, mit gigantischem Blick über die Stadt. Die Regenfront machte gerade Pause und vier Heißluftballons schwebten durch den Mittsommerabend. »Ooh«, sagte ich und dachte: Vielleicht wird es ja doch noch was
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