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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline
Autoren: Christoph Koch
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musst -oder seh ich das falsch?«, fragt sie mich spöttisch. »Das siehst du total falsch«, entgegne ich schnell. »Ich vermisse dich ganz anders ... also stärker natürlich, viel stärker.« Schon zu spät. »Dann heirat doch dein Büro«, sang Kat ja Ebstein in den Siebzigern, als MTV noch »ZDF Hitparade« hieß und von Dieter Thomas Heck moderiert wurde. »Dann heirat doch dein Internet« könnte der Youtube-Megahit heißen, mit dem meine Freundin bald weltberühmt wird, wenn ich es nicht bald schaffe, diese Diskussion wieder in ruhigere und mir gewogenere Bahnen zu lenken. »Ich könnte es viel länger ohne Internet aushalten als ohne dich«, säusle ich also. Ohne Erfolg. Immerhin ist Jessica nicht ernsthaft sauer: Sie lacht sich einfach nur kaputt. »Das glaubst du doch selbst nicht«, sagt sie und sieht mich herausfordernd an.
    »Eine Woche würde ich bestimmt ohne Internet auskommen«, antworte ich selbstbewusst.
    »Eine Woche? So lange hast du es ohne mich doch schon oft ausgehalten. Ein Monat müsste es ohne Internet mindestens sein.«
    »Zwei Wochen!«, versuche ich zu feilschen.
    »Schon gut, vergiss es. Ich konkurriere doch nicht mit dem Internet um deine Gunst«, lenkt Jessica ein. »Ich will nur, dass du zugibst, dass du es ohne nicht mehr aushältst.«
    Natürlich hat sie recht. Und genau das ist der Grund, warum mir unser Gespräch auch in den kommenden Wochen nicht mehr aus dem Kopf geht -und die Idee zu dem Selbstversuch entsteht. Zur freiwilligen Abkehr von Internet und Handy für mindestens einen Monat.
    Wie würde es sein, nicht auf das Internet zu verzichten, weil ein unmenschlicher Telekommunikationsriese mich dazu zwingt? Sondern wenn dies aus freien Stücken geschehen würde? Wenn ich mich für eine bestimmte Zeitspanne absichtlich und willentlich aus stöpselte aus der stets weltweit verbundenen Gemeinde der »netizens«, der Bewohner des Internet-Reiches? Würde ich nach einer gewissen Zeit der Entwöhnung das, was ich nach dem Umzug als schier unerträglichen Verlust empfunden hatte, als Gewinn betrachten können? Oder würde ich die selbstverordnete Abstinenz absitzen wie eine Gefängnisstrafe, nur um danach wieder weiterzumachen wie zuvor -jeden Tag, jede wache Stunde onIine, ständig auf »senden/empfangen« geschaltet, wie es der Knopf in den meisten E-MailProgrammen verheißt, den ich wie so viele Online-Junkies beständig drücke, wenn einmal längere Zeit keine Mail kommt.
    Würde sich dieses Vermissen, dieser Phantomschmerz eventuell im Lauf der Zeit zurückentwickeln?
    Würden sich die anderen noch verbliebenen Sinne stärken und verbessern, um den Verlust auszugleichen? Man sagt Blinden ja auch nach, besser hören zu können als Sehende. Würde ich also durch das Abschalten meiner Online-Aktivitäten auf einem anderen Sektor etwas dazugewinnen ? Mich anders mit der Welt verbinden?
    Bei allem Leiden über den nicht vorhandenen Online-Anschluss in der neuen Wohnung: Hatte ich nicht oft genug über das Internet auch -oder gerade dann -geflucht, wenn es funktionierte? Wenn es schlechte Nachrichten brachte in Form von unvorteilhaften Fußballergebnissen, dümmlichen Wortmeldungen. fernsehprominenter Schlaumeier, die auf den Nachrichtenseiten wieder und wieder durchgekaut wurden? Mein Plan stand fest: Ichmusste es ausprobieren.
    Die Zehn Gebote der Internetlosigkeit
    Die Regeln sollten klar und einfach, aber auch strikt sein: Ein Monat ohne Internet und ohne Mobiltelefon. Die Benutzung eines Computers für produktive Offline-Tätigkeiten sowie des Festnetztelefons würden erlaubt sein. Letzteres gibt es immerhin schon seit über 100 Jahren, ersteres war notwendig, um zum einen die Aufzeichnungen für dieses Buch anzufertigen, zum anderen, um meiner eigentlichen Tätigkeit als Journalist zumindest noch ansatzweise nachgehen zu können. Eine Aufgabe, die ohne Internet und Handy schon schwierig genug war, wie sich bald herausstellen sollte. Aber Regeln müssen bei einem solchen Unterfangen nun mal sein. Und so legte ich nach und nach die zehn Gebote für meine Internet-Abstinenz fest:
    • Du sollst kein Internet haben in deinem Haus und in deiner Hosentasche.
    • Du sollst das Internetcafe und alle sonstigen öffentlichen Onlinezugänge meiden.
    • Du sollst deinen Computer gebrauchen, um Texte zu schreiben.
    • Du sollst nicht Minesweeper spielen.
    • Wenn dein Nachbar erzählt, was er »Verrücktes« auf Spiegel Online gelesen hat, sollst du dich nicht abwenden.
    • Du sollst
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