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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens
Autoren: Sarah Beth Durst
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Ton größter Hilfsbereitschaft hinzu: »Du kannst dich gerne hier verstecken.«
    Cassie brachte ein Grinsen zustande. Dad hatte Jeremy in seiner ersten Woche auf der Station fürchterlich den Kopf gewaschen, weil er ohne die nötige Ausrüstung auf das Eis hinausgegangen war. Seitdem hatte Jeremy einen gesunden Respekt vor den Temperamentsausbrüchen ihres Vaters. Allerdings war dessen Zorn in jenem Fall wirklich berechtigt gewesen. Es spielte keine Rolle, dass Jeremy von der UCLA kam, der University of California in Los Angeles – welcher Idiot ging denn ohne Gesichtsmaske aufs Eis hinaus? So ein Anfängerfehler würde ihr selbst nie und nimmer passieren. Nein, dachte sie, mein Spezialgebiet sind eher die spektakuläreren Fehler, wie zum Beispiel, einen voll ausgewachsenen Eisbären zu verlieren.
    Entschlossen stieß Cassie die Tür auf und betrat das Forschungslabor. Eilig umrundete sie Kisten und Ausrüstungsgegenstände. Aus dem Funkraum konnte sie die Stimme ihres Vaters hören, tief und abgehackt. Uh, das würde nicht lustig werden. Hier, in der schwach säuerlichen Luft ihres Zuhauses, würde ihre Geschichte sich anhören wie Grams altes Märchen vom König der Eisbären. Was draußen auf dem Meereis beinah glaubhaft gewirkt hatte, wirkte in der nüchternen, engen Atmosphäre der Station, schlichtweg irreal. Hier schien es eher so zu sein, dass der Bär nur in ihrer Einbildung in das Eis hineingegangen war. Sie wünschte, es wäre auch nur ihrer Fantasie entsprungen, ihn verloren zu haben.
    Im Funkraum fand sie ihren Vater in der für ihn typischen Haltung vor: halb auf einem Stuhl sitzend, neben sich zwei andere Wissenschaftler. Cassie blieb im Türrahmen stehen und sah ihnen einen Moment lang zu. Ihr Vater war wie die Sonne. Andere Menschen neigten dazu, ihn zu umkreisen, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Scott und Liam waren seine häufigsten Satelliten. Ob sie selbst in seiner Gegenwart wohl auch so wirkte: klein und in den Schatten gestellt? Cassie schob diesen unangenehmen Gedanken beiseite und trat weiter in den Raum hinein.
    Hinter ihr schwang die Tür zu. Bei dem Geräusch sah ihr Vater auf und ließ sein Klemmbrett sinken. Sein Gesicht wirkte teilnahmslos, doch sie wusste, er war wütend. Cassie wappnete sich. Sie würde ihren Bericht so professionell wie möglich abliefern. Wie er darauf reagierte, war allein seine Sache.
    Scott warf ihr ein Lächeln zu. »Ah, unser kleiner Workaholic.«
    »Würden Sie uns bitte entschuldigen, meine Herren?«, sagte Dad zu Scott und Liam. »Familienangelegenheiten.« Oh, das war gar kein gutes Zeichen! Sie schluckte hart.
    Cassie fragte sich nicht zum ersten Mal, ob ihr Vater wohl ein weicherer Mensch wäre, wenn ihre Mutter noch leben würde. Wäre sie dann imstande, mit ihm zu sprechen, ohne das Gefühl zu haben, sich einem riesigen Berg zu nähern? So vieles könnte anders sein, wenn ihre Mutter nicht gestorben wäre.
    Die beiden Wissenschaftler, die anscheinend bemerkt hatten, dass die Luft hier plötzlich zum Schneiden dick geworden war, blickten nervös zwischen Vater und Tochter hin und her. Dann nahmen sie Reißaus.
    Lange Zeit sagte ihr Vater gar nichts. Sein Gesichtsausdruck war unlesbar. Die Augen lagen im Schatten der buschig-weißen Augenbrauen. Der Mund versteckte sich in dem struppigen Waldläuferbart. Mit seinen ein Meter neunzig sah er schier unüberwindlich aus. Cassie hob den Kopf und blickte ihm fest in die Augen.
    »Du weißt doch ganz genau, dass man nicht ohne Rückendeckung auf das Packeis hinausgeht«, sagte er schließlich. »Ich dachte, ich hätte dich zu einem klügeren Mädchen erzogen.«
    Ja, das hatte er. Und besonders eins hatte er ihr in ihrer Kindheit immer wieder eingehämmert: die Gesetze des Eises. Alle anderen Dinge mochte er anderen überlassen haben. Nachdem ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt gestorben war und Gram die Station verließ, als sie fünf Jahre alt war, hatte Cassie einen Großteil ihrer Erziehung selbst besorgt, mehr recht als schlecht unterstützt von Menschen, die abwechselnd so etwas wie eine Elternrolle übernahmen – Dad, Max, Owen und wer sonst noch vorübergehend der Stationsmannschaft angehörte. Aber Dad hatte dafür gesorgt, dass sie ganz genau wusste, was zu tun war, wenn sie sich außerhalb der Station aufhielt. Und dafür war sie ihm dankbar. »Ich weiß«, sagte sie. Du hättest in eine Eisspalte fallen können«, fuhr er fort. »Presseis hätte über dir zusammenstürzen können. Ein
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