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Titel: iBoy
Autoren: Kevin Brooks
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hat meinen Namen gerufen. Die haben gewusst, dass ich es war. Ich glaube zwar nicht, dass sie ernsthaft dachten, sie würden mich treffen, aber ich bin ganz sicher, sie haben nach mir geworfen.«
    »Das musst du der Polizei sagen, Tommy. Sag ihnen, dass es kein Unfall war.«
    Ich zuckte die Schultern. »Wozu? Sie finden doch trotzdem nicht raus, wer es war.«
    »Na ja, man weiß ja nie   …«
    Wir sahen uns an und wussten beide, dass ich recht hatte. Es gab, verdammt noch mal, nicht die geringste Chance, dass jemand angeklagt würde, mir den Schädel eingeschlagen zu haben. Und selbst wenn, selbst wenn jemand festgenommen, angeklagt und verurteilt würde   … was brächte das? Ändern würde es gar nichts. Es steckten noch immer Teile von einem iPhone in meinem Hirn. Ben wäre noch immer zusammengeschlagen worden. Und Lucy   …
    Nichts würde helfen, dass es Lucy besser ging.
     
    Nachdem mich Gram mindestens ein Dutzend Mal gefragt hatte, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn sie in ihr Zimmer |44| ging und weiter an ihrem neuen Buch arbeitete, und nachdem ich ihr versichert hatte, dass es mir überhaupt nichts ausmachte, dass es mir gut ging und sie sich nicht die ganze Zeit Sorgen zu machen brauche   … nach alldem verschwand ich schließlich in meinem Zimmer, legte mich auf mein Bett und versuchte, mit der wachsenden Einsicht klarzukommen, dass ich wusste, was in meinem Kopf geschah   … und dass es, auch wenn es eigentlich unmöglich sein müsste, überhaupt nicht unmöglich war.

|45| 101
    Die Entwicklung des menschlichen Neocortex ist das einzige Beispiel dafür, dass die Evolution eine Spezies mit einem Organ versieht, das diese nicht zu verwenden weiß.
     
    Arthur Koestler
    Das Gespenst in der Maschine
(1968)
     
    Stell dir vor, du versuchst, dich an etwas zu erinnern   … an irgendwas – zum Beispiel an das letzte Mal, als du geweint hast, an die Telefonnummer von jemandem oder an die Namen der sieben Zwerge – egal an was.
    Durchstöber einfach dein Gedächtnis und versuch, dich an etwas zu erinnern   … und wenn du es getan hast, versuch dir vorzustellen,
wie
du es getan hast. Wie hast du gefunden, wonach du suchtest? Womit hast du gesucht? Wo genau in deinem Hirn hast du gesucht? Woher wusstest du, wo du suchen musstest, und wie hast du das, was du gesucht hast, schließlich erkannt?
    Wenn
mir
diese Fragen gestellt würden, könnte ich sie nicht beantworten. Das Einzige, was ich zu sagen wüsste, wäre: Ich habe es einfach getan. Die Dinge in meinem Kopf, in meinem Hirn   … sie haben getan, was sie immer tun. Ich habe mir vorgenommen, |46| mich an etwas zu erinnern, und den Rest hat das Zeug in meinem Hirn erledigt.
    Mein Kopf, mein Hirn macht mich zu dem, was ich bin – aber ich habe keine Ahnung, wie das Ganze abläuft.
    Und als ich an jenem Tag auf meinem Bett lag und dem fernen Gemurmel der geräuschlosen Geräusche in meinem Kopf lauschte, war das der einzig mögliche Gedanke: Es war
mein
Kopf,
mein
Hirn, was da drin passierte, machte mich zu dem, was ich war   … doch jetzt war etwas da drinnen, etwas, das ein Teil von mir geworden war, und
es
tat, was
es
tat – griff hinaus, fand Dinge, eine unendliche Zahl von Dingen   –, und ich hatte keine Ahnung, wie das geschah.
    Doch es geschah.
    Es geschah gerade in diesem Moment.
    Es zeigte mir Teile von Websites, zufällige Abschnitte von zufälligen Seiten   – Wörter, Geräusche, Bilder, Daten. Es scannte eine Welt von E-Mails , eine Welt von Texten, eine Welt voller Anrufe   … es verknüpfte, rechnete, fotografierte, filmte, lud herunter, suchte, speicherte, ortete   … es tat alles, was ein iPhone konnte. Und genau das musste es sein – das iPhone. Die Bruchstücke des iPhones, die sich in meinem Kopf eingenistet hatten   … irgendwie mussten sie mit Teilen meines Gehirns verschmolzen sein, mit   … Teilen von
mir
. Und irgendwie mussten bei der Verschmelzung die Fähigkeiten des iPhones mutiert sein, sie mussten sich sprunghaft weiterentwickelt haben   … denn ich konnte nicht nur alles tun, was ein iPhone kann, sondern noch jede Menge mehr. Ich konnte Telefongespräche mithören, ich konnte E-Mails und SMS lesen, ich kam in sämtliche Datenbanken rein   … ich hatte Zugang zu
allem
.
    Einfach so aus dem Innern meines Kopfs.
    |47| Ich war
verknüpft
.
    Das wusste ich jetzt. Ich wusste es, ich wusste es, ich
wusste
es   … aber ich wusste noch immer nichts
über
das Ganze. Ich wusste nicht,
wie
es
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