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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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kurzum, dem letzten Stückchen Erde, welches die Toten betreten, bevor sie in Charons Nachen zum Hades gebracht werden … Wir hätten es wesentlich früher erreichen können, aber Martiño ging in jedem Dorf, Weiler oder einsam gelegenen Taubenschlag, der an der Küste erschien, vor Anker. In einem Dorf nahm er eine Kuh an Bord und brachte sie bis ins nächste; in einem anderen löschte er einen Ballen Viehfutter, nahm dafür jedoch sechs bis sieben Körbe mit Venus-, Herz- und Entenmuscheln, Krabben und Tintenfischen mit; im Dorf nebenan lud er Stoffe, die er später gegen Getreide eintauschte. Jonas, der vor Noia nur an jenem Tag (und das auch nur flüchtig) das Meer gesehen hatte, an dem wir uns in aller Eile von Joanot und Gerard im Hafen von Barcelona verabschiedet hatten, schloß sich fröhlich und überschäumend vor Energie und Begeisterung der Bootsmannschaft an. Er arbeitete hart, was zwar seine Muskeln auf die Probe stellte und ihn erschöpfte, ihn aber hochzufrieden machte. Zwei Tage, bevor wir von Bord gingen, trat er nach dem Abendessen zu Sara und mir, die wir uns gerade an einer der Längsseiten des Schiffs ruhig unterhielten, und sprudelte geradeheraus:
    »Ich möchte Seemann werden.«
    »Das habe ich befürchtet!« rief ich aus und schlug mir, ohne mich umzudrehen, an die Stirn.
    Sara brach in lautes Lachen aus. Jonas schien zutiefst beleidigt.
    »Aber jetzt doch noch nicht!« schrie er wütend. »Erst wenn wir diese sonderbare Reise hinter uns haben!«
    »Puh, zum Glück … Nun bin ich schon etwas beruhigter«, murmelte ich, konnte mir das Lachen aber fast nicht verbeißen.
    Noch nie zuvor hatte ich mich so glücklich gefühlt, war so reich und mächtig gewesen, noch nie hatte ich gleichzeitig alles besessen, was ich mir auf dieser Welt wünschte. Der neue Galcerán war ein mit Glück gesegneter Mann, obwohl er sich noch mitten im Auge des Drachens befand.
    »Weißt du was?« flüsterte Sara, als Jonas höchst verärgert in der Dunkelheit verschwand.
    »Was?«
    »Ich bin dieser sonderbaren Reise, wie Jonas sie völlig zu Recht bezeichnet hat, überdrüssig. Ich möchte, daß wir endlich anhalten, daß wir uns einen Ort zum Leben suchen und ein Haus kaufen, wo wir, du und ich, immer Zusammensein werden. Wir sind ja so reich! Wir haben doch noch vier Säcke von dem Gold, das man uns in Portomarin gab. Wir könnten einen Bauernhof kaufen«, murmelte sie träumerisch, »mit ganz vielen Tieren.«
    »Halt ein, Sara, laß das Träumen«, wies ich ihren Vorschlag traurig von mir. Wie gern hätte ich sie in diesem Augenblick umarmt und geküßt, wie gern dort gleich auf der Stelle mit ihr geschlafen, ihr meine Liebe bewiesen. »Wir können uns das Träumen noch nicht erlauben. Wenn alles gut geht, werden wir in zwei Tagen dieser sonderbaren Reise ein Ende setzen. Aber noch wissen wir nicht, was aus uns werden wird, Sara, wir haben noch nicht einmal die Gewißheit, daß wir nicht mehr vor irgend jemand fliehen müssen.«
    Schmerzerfüllt sah sie mich an.
    »Ich glaube nicht, daß ein Leben, in dem wir fliehen oder lügen und uns immer vor allen verstecken müssen, etwas wert ist.«
    Ich konnte ihr nicht antworten, konnte ihr nicht sagen, daß das womöglich die beste Zukunft war, der wir entgegensehen konnten, wenn es in Finisterre schiefging. Auch ich wollte keine solche Zukunft für uns. Wer fände so ein Leben schon erstrebenswert?
    »Hör mir jetzt gut zu, Sara«, sagte ich und unterdrückte meinen Kummer, indem ich dazu überging, ihr gewisse wichtige Einzelheiten darzulegen, »ich möchte, daß Jonas und du …«
    Nachdem wir die kleinen Felseninseln Lobreira und Carromoeiro hinter uns gelassen hatten, ging das Schiff am nächsten Tag frühmorgens in der Ría de Corcubión vor Anker, wo es dann bei Ebbe auf den mit türkisen Reflexen durchsetzten Wellen schaukelte. Von unserem Ankerplatz aus, der von unzähligen großen Fischerbooten umgeben war, schien Corcubión ein wohlhabender Ort mit großen, herrschaftlichen Häusern zu sein, in deren Fenster die Sonne sich silbern spiegelte.
    »Heute nachmittag erreichen wir Finisterre, das Ende der Welt«, verkündete Martiño zufrieden und begann zu trällern: »O que vai Compórtela … fai ou non fai romaría …se chega ou non a Fisterra  … «
    »Ich möchte Euch gern etwas vorschlagen, Martiño«, unterbrach ich unvermittelt sein Lied.
    »Was denn?« fragte er neugierig.
    »Wieviel verlangt Ihr für eine kleine Änderung Eurer Route?«
    »Eine
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