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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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mir unbekannte Unwägbarkeiten vertraute, mit denen ich aus Unkenntnis oder Unverstand nicht gerechnet hatte.
    Mit wachsender Verzweiflung ging ich noch einmal die wichtigsten Punkte meines Angebots durch, die mir – in dem Maße wie die Stunden verstrichen, ohne daß Manrique sich blicken ließ – immer fraglicher und haltloser vorkamen. Indes sagte ich mir, daß dieser Eindruck nur von der Angst herrührte, und daß Angst gerade das einzige war, das ich mir nicht erlauben konnte, da sie mich von vornherein zum Verlierer der Partie stempeln würde.
    Als es schließlich schon auf Mittag zuging, zeichnete sich im Osten die Gestalt eines Reiters ab. Obwohl ich ihn anfangs nicht genau erkennen konnte, da der Nebel noch immer dicht über dem Kap lag, stand außer allem Zweifel, daß es sich um Manrique de Mendoza handelte.
    »Ich sehe, daß ihr als erster gekommen seid!« rief er, als er schon sehr nahe war. Herausfordernd sah ich ihm mit vor der Brust verschränkten Armen entgegen.
    »Habt Ihr etwa daran gezweifelt?« erwiderte ich stolz.
    »Nein, ehrlich gesagt, nicht. Ihr seid ein vorsichtiger Mensch, Galcerán de Born, und das ist auch gut so.«
    Er stieg ab und band die Zügel seines Pferdes an ein paar Büsche.
    »Hier sehen wir uns also wieder, alter Freund«, meinte er nun und musterte mich eingehend von oben bis unten, so wie jemand kritisch einen Reitknecht betrachtet, dem er sein Plazet zu geben hat. »Das Schicksal führt uns erneut zusammen, ist das nicht seltsam? Ich weiß noch, wie Evrard und ich vor sechzehn Jahren nach unserer Rückkehr von Zypern einige Wochen auf der Burg meines Vaters verbrachten. Und damals wart Ihr noch fast ein Kind, ein junger Knappe, der in meine dumme Schwester vernarrt war. Ha, ha, ha …!«
    Ich mußte meine Wut unterdrücken, ich mußte unbedingt gleichmütig bleiben gegenüber einer derart unfairen Provokation.
    »Ich erinnere mich auch noch daran …«, fuhr er fort, während er mit den Augen nach einer geeigneten Stelle suchte, wo er sich hinsetzen konnte, »… mit welch großer Aufmerksamkeit Ihr Evrard und mir gelauscht habt, als wir allerlei Geschichten von den Kreuzzügen, dem Heiligen Land, vom großen Saladin und dem Schwarzen Stein von Mekka erzählten … Ihr wart ein aufgeweckter Junge, Galcerán! Ihr schient eine große Zukunft vor Euch zu haben. Es ist wirklich jammerschade, daß Euer Geschlecht die Hoffnungen, die man in Euch gesetzt hatte, nicht erfüllt sah.«
    Zügele deine Wut, Galcerán, sagte ich mir im stillen, während ich mit mir kämpfte, um mich nicht auf ihn zu stürzen und mit den Fäusten zu bearbeiten, bis er keine Luft mehr bekäme.
    »Es war eine schöne Zeit, ja«, meinte er und ließ sich endlich auf einen Felsen sinken. Sein Pferd wieherte unruhig. »Mein Freund Evrard … mein armer Kamerad Evrard und ich sprachen damals darüber, wie weit Ihr es wohl bringen würdet, wenn Ihr erst ein Mann wärt. Vor allem Evrard war davon überzeugt, daß wir über Euch noch viel und nur Gutes hören würden. Er mochte Euch sehr, Bruder. Schade, daß Ihr Euch auf so bedauerliche Weise jene Verfehlung habt zuschulden kommen lassen.«
    Ich rührte mich nicht und sagte auch kein Wort. Er reihte eine törichte Erinnerung an die andere, die nur ein niederträchtiges Manöver waren, um meine Stellung zu schwächen, bevor er in den Kampf zog. Glücklicherweise schien sich damit das Thema meines fernen Jünglingsalters erschöpft zu haben, und er verstummte nachdenklich.
    Vielleicht war es seiner großen Ähnlichkeit mit meinem Sohn zu verdanken – so würde Jonas also mit 45 Jahren aussehen, dachte ich bewegt –, daß ich ihn nun aufmerksam betrachtete, wobei ich die schrecklichen Anzeichen der verrinnenden Zeit bemerkte, seine zunehmenden Atembeschwerden, das hochrote Gesicht und die blutunterlaufenen Augen, die keinen Zweifel an der tödlichen Krankheit ließen, die er in sich trug. Allerdings verzichtete ich im Gegensatz zu ihm auf jeglichen Kommentar. Zu meinen Strategien gehörte es nicht, den Gegner schon vor dem Kampf zu übervorteilen.
    »Nun denn, mein Freund«, schloß er und hob die blutunterlaufenen blauen Augen, »Ihr habt um diese Unterhaltung ersucht, und hier bin ich, deshalb sprecht.«
    »Ich dachte schon, Ihr würdet kein Ende finden«, brummte ich, »war diese ganze Vorrede nötig, damit Ihr Euch besser fühlt?«
    Er blickte mich an und lächelte.
    »So sprecht.«
    Ich war an der Reihe. Das Spiel war fast zu Ende, nur noch die
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