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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren!
Autoren: Henryk M. Broder
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Menschen, als Hitler getötet hat.« Soweit bekannt, hat Hitler eigenhändig niemand getötet, aber auf die Faktizität dieser Gleichung kommt es nicht an. Sie klingt bombastisch - unseren täglichen Völkermord gib uns heute -, ist aber eine hohle Blase. Nimmt man sie wörtlich, müsste man den Kapitalismus heute so angehen wie seinerzeit Hitler. Nimmt man sie symbolisch, dann war Hitler gar nicht so übel. Und überhaupt: Die Leute, die Hitler umgebracht hat, wären heute sowieso tot.
    Man kann auf vielen Wegen vor der Einsicht davonlaufen, dass der Terrorismus eine Gefahr ist, der man sich stellen muss. Man kann sich in die Befindlichkeit der Terroristen hineinversetzen und die Verbitterung nachvollziehen, von der sie angetrieben werden. Man kann zum Kampf gegen die Ursachen aufrufen und sich mit dieser großen Geste zufrieden zurücklehnen. Man kann auf das viel größere Übel verweisen, den Kapitalismus, der niedergerungen werden muss. Man kann Kosten-Nutzen-Berechnungen anstellen, die damit enden, dass der Kampf gegen den Terror mehr Opfer kostet als der Terror selbst.
    Egal, welchen Notausgang man nimmt, man gewinnt Zeit. Nicht gegenüber den Terroristen, die irgendwo sitzen und den nächsten Anschlag planen, nein, gegenüber sich selbst. Eine nüchterne Analyse der Lage würde zwei Optionen ergeben, tertium non datur: Man kapituliert sofort, tritt zum Islam über und einer besonders militanten Gemeinde bei, oder man überlegt ernsthaft, was man tun könnte, um den Terrorismus zu stoppen, wofür man leider einige Grundsätze des befriedeten Zusammenlebens opfern müsste. Diese Alternative ist so grauenhaft wie die Wahl zwischen Galgen oder Guillotine. Um ihr zu entgehen, ist jede Illusion recht.
    Es ist kein Geheimnis, dass Osama Bin Laden und seine Anhänger die Europäer für einen Haufen korrupter Angsthasen halten. »Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod«, rufen sie uns zu und freuen sich über jedes »No Blood for Oil«-Plakat, das auf einer Anti-Kriegsdemo getragen wird. Wohin die Gotteskrieger auch schauen, sie sehen überall die Bereitschaft zu vorzeitiger Kapitulation. In der Politik wird noch beraten, wie man sich ohne allzu viel Gesichtsverlust informell ergeben könnte, in der Kultur wurden die Kapitulationserklärungen schon unterschrieben.
    In fast allen Interviews, die der britische Spion und Schriftsteller John le Carre gibt, betont er, »dass wir ernten, was wir gesät haben« und dass es Extremismus und Fundamentalismus überall gebe. »Die gibt es genauso bei den religiösen Rechten wie im Zionismus. Mr. Bush ist ebenfalls ein Extremist. Er behauptet doch immer wieder, der American Way of Life sei der einzig gültige Weg. Für mich ist das ein fundamentalistisches Statement. Und der Gedanke, dieser Way of Life solle auch noch in den Rest der Welt exportiert werden, hat etwas regelrecht Obszönes an sich.«
    Die Vorstellung, John le Carre würde auf den Gebrauch eines Deos verzichten, die Klimaanlage abstellen und seinen Whiskey ohne Eis trinken, um dem American Way of Life aus dem Weg zu gehen, hat viel Tragisches an sich. Noch tragischer ist nur die Vorstellung, Peter Zadek hätte sich um die Aufnahme in die Hitlerjugend beworben, nachdem die Nazis England im Krieg bezwungen haben.
    Im Sommer 2003 gab Peter Zadek dem »Spiegel« ein Interview. Der Regisseur, 1926 in Berlin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, emigrierte mit seiner Familie 1933 nach London und kam 1958 nach Deutschland zurück, wo er sich mit spektakulären Regiearbeiten einen Namen machte. Heute lebt Zadek in Italien und inszeniert ab und zu auf deutschen Bühnen.
    Das »Spiegel«-Gespräch gehört zu den Dokumenten, die man atombombensicher aufheben sollte, damit künftige Generationen sich eine Vorstellung davon machen können, was zu Beginn des 21 . Jahrhunderts von einem Intellektuellen gesagt werden konnte, ohne dass es Frösche vom Himmel regnete. Ziemlich zu Anfang der Unterhaltung erklärt Zadek, er stimme mit seinem Freund Harold Pinter überein, der gesagt habe, »die Amerikaner seien heute mit den Nazis zu vergleichen«. Der Unterschied bestehe darin, »dass die Nazis vorhatten, Europa zu besiegen, die Amerikaner aber wollen die ganze Welt besiegen«.
    Das war zweifellos ein starker Einstieg, aber es wurde noch besser. Es kommt zu folgendem Wortwechsel zwischen den »Spiegel«-Leuten und Zadek:
     
    Der Spiegel: Die Gleichsetzung von Amerikanern und Nazis finden wir aberwitzig. Gestehen Sie den
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