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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren!
Autoren: Henryk M. Broder
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will ich jetzt nicht beurteilen. Wir hatten das Gefühl, das waren sehr einfache Menschen.«
    Die Bundesregierung konnte sich damit trösten, dass sie nicht Lösegeld bezahlt, sondern einfachen Menschen unter die Arme gegriffen, also eigentlich Entwicklungshilfe geleistet hatte.
    Nun werden nicht nur Individuen als Geiseln genommen, um Geld und geldwerte Leistungen von den jeweiligen Regierungen zu erpressen, so etwas machen nur »einfache Menschen«, die ihre Kriegskasse auffüllen wollen. Seit dem ersten Ölboykott arabischer Staaten gegen die USA und dem ersten autofreien Sonntag in Deutschland am 25 . November 1973 funktioniert die »Ölwaffe« wie die Atombombe: Es reicht, mit ihr zu drohen. Der Iran hat gegenüber Europa diese Waffe zur Perfektion entwickelt. Den meisten Menschen, die heute einen Flug buchen, ist es nicht mal klar, dass sie als Geiseln genommen werden. Sie zahlen eine Sicherheitsgebühr, müssen ihre Taschen leeren und Schuhe ausziehen, sich abtasten lassen und dumme Fragen beantworten - alles, weil man immer und überall mit einem Anschlag rechnen muss. Auch hier reicht die unausgesprochene aber allgegenwärtige Drohung aus, um jeden Tag Millionen von Menschen den Willen der Terroristen aufzuzwingen.
    So überlegen einige, ob sich die Anstrengungen überhaupt lohnen. Ein Ostberliner Autor, der zu den klügeren seiner Zunft zählt, fragt: »Ist es zynisch zu fragen, was bisher mehr Menschenleben gekostet hat - der islamistisch genannte Terror oder der Kampf gegen ihn?« Und antwortet: »Seit der amerikanische Präsident dem Terror den Krieg erklärt, sind sowohl diesem als auch dem Kampf gegen ihn unvergleichlich mehr Menschen zum Opfer gefallen als jemals zuvor.«
    Solche Fragen sind nicht zynisch, sie sind dumm. Denn in dieser Rechnung sind die irakischen Opfer des Saddam-Regimes nicht enthalten, hunderttausende von Menschen, die verfolgt, gefoltert und getötet wurden. Für den smarten Kopfrechner aus Ostberlin setzen Terror und Gegenterror erst mit der alliierten Intervention im Irak ein. Und damit der Terror aufhört, sagt der britische Unterhausabgeordnete George Galloway, »muss man den Sumpf der Ungerechtigkeiten trockenlegen«, was konkret heißt: »Rückzug aus Irak und Afghanistan, Schluss mit der Rückendeckung für General Ariel Scharon, Unterstützung der Palästinenser im Kampf um Gerechtigkeit, Schluss mit der Hilfe des Westens für korrupte Könige und Marionettenpräsidenten im Mittleren Osten.« Wenn alle diese Vorbedingungen erfüllt sind, »wenn die Verbitterung über Britannien in der islamischen Welt beseitigt wird, wird Osama Bin Laden zum gestrandeten Wal«.
    Nimmt man den Abgeordneten, der als unabhängiger Kandidat ins Parlament gewählt wurde und die Labour das Fürchten lehrt, wörtlich, dann ist die Ursache des Terrorismus die »Verbitterung«, und solange die Gründe für die Verbitterung nicht aus dem Weg geräumt werden, wird der Terror nicht aufhören.
    Eine solche Erklärung, die man inzwischen überall in Europa, auf jeder Demo, auf jeder NGO-Konferenz, auf jedem Kirchentag, in jeder Talkshow hören kann, ist zum einen vollkommen verbohrt, zum anderen extrem praktisch. Einerseits wird dem Terrorismus pauschal Legitimation verliehen, als Reflex auf Ungerechtigkeiten, wobei man sich nicht mehr fragen muss, welche Ungerechtigkeit eigentlich die Terroristen immer wieder dazu bringt, Ferienorte am Roten Meer zu überfallen. Hat man ihnen den Zugang zum Frühstücksbuffett verboten? Durften sie am Strand nicht mit ihren Waffen spielen? Ist der Anblick der Mädchen im Bikini so unerträglich?
    Andererseits wird der Kampf gegen den Terror damit zur »mission impossible« erklärt. Denn die Liste der globalen Ungerechtigkeiten, die zur Verbitterung führen, ist lang, hat man eine ausgeräumt, tauchen immer zwei neue auf, und so wird es den Terroristen nie langweilig. Terrorverstehern wie Galloway, Steinbach, Scholl-Latour, Lüders etc. auch nicht, denn so können sie immer wieder die Forderung wiederholen, man müsse die Ursachen bekämpfen, statt an den Symptomen herumzudoktern. Wie das aber so ist mit den Ursachen - die Basis ist die Grundlage des Fundaments -, man kommt schlecht an sie ran und deswegen dreht sich der Hund weiter fröhlich im Kreise und schnappt nach seinem Schwanz.
    Der linke Bürgermeister von London, Ken Livingstone, wie Galloway »a pain in the ass« der Labour, macht eine andere Grundsatz-Kiste auf: »Der Kapitalismus tötet täglich mehr
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