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Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Titel: Hunkelers zweiter Fall - Flattermann
Autoren: Hansjörg Schneider
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Lerch, sagte er. – Es tue ihr leid, guten Bekannten dürfe sie keine Auskunft geben.
    Er setzte sich in einen dieser Stahlrohrsessel, die mit hellem Leder bespannt waren, und zündete sich eine Zigarette an. Nebenan saß ein Greis mit bläulichem Gesicht, mühsam hustend. »Rauchen Sie ruhig«, sagte er, »es stört mich nicht mehr lange.«
    Hunkeler drückte die Zigarette aus, erhob sich und ging nach vorn in die Notfallstation. Er zeigte dem Mann hinter dem Schalter seinen Ausweis und sagte: »Hier muss gestern kurz vor Mittag ein Mann namens Freddy Lerch eingeliefert worden sein. Wir haben ihn aus dem Rhein gezogen. Es nimmt mich wunder, wie es ihm geht.«
    Der Mann, jung, blond, mit einem rötlichen Schnauzbart, sagte: »Stimmt, ich bin hier gewesen. Aber ich weiß nicht, wo er jetzt ist.«
    »Rufen Sie bitte den Arzt, der ihn aufgenommen hat.«
    Der Mann steckte einen Zeigefinger ins linke Ohr, schüttelte ihn, als ob er einen Wassertropfen hätte herausholen wollen.
    »Warum? Es ist schon jemand hier gewesen von der Polizei. Es ist alles geregelt.«
    »Wer ist hier gewesen?«
    Der Mann blätterte in einem Papierstoß. »Michael Madörin. Er ist Detektiv-Wachtmeister.«
    »Ich bin Kriminalkommissär«, sagte Hunkeler so brav, wie er nur konnte, »ich bin sein Vorgesetzter.«
    Der Mann zuckte mit den Achseln. »Ganz wie Sie meinen.« Er steckte sich wieder den Zeigefinger ins Ohr, schüttelte ihn, nahm ihn wieder heraus und schaute traurig die Fingerbeere an.
    »Jetzt rufen Sie bitte den Arzt«, sagte Hunkeler, »wenn Sie die Güte haben wollen, Ihren fetten Hintern zu bewegen.« Er versuchte zu lächeln, süß und fröhlich.
    Der Mann lächelte zurück, wie Zucker. Dann runzelte er die Stirn, hob nach einer Weile gelangweilt den Hörer ab und verlangte einen Herrn Dr. Neuenschwander. Er zeigte auf einen Stuhl aus Stahlrohr, der mit Leder bespannt war. »Wenn Sie die Güte haben wollen, sich zu setzen, Herr Kommissär, und zu warten.«
    Hunkeler setzte sich, wartete, schaute zu, wie eine Bahre hereingetragen wurde, auf der eine röchelnde Frau lag. Ein Mädchen wurde hereingeführt, mit verbundenen Händen, weinend, schreiend. Dann kam Dr. Neuenschwander, mit Stirnglatze und kühlem Blick hinter dicken Brillengläsern, die seine Augen vergrößerten.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    Hunkeler zeigte seinen Ausweis, sagte etwas von Komplikationen, der Fall werde neu geprüft.
    »Freddy Lerch«, sagte der Arzt, »ist heute Morgen gegen ein Uhr gestorben. Wir haben ihn nach der Einweisung sofort an die Beatmungsmaschine angeschlossen und alles Nötige vorgekehrt. Leider vergeblich. Sein linker Lungenflügel ist beim Aufprall geplatzt. Auch der Schädel hat Schaden genommen. Genügt Ihnen das?«
    »Hat er noch etwas gesagt?«
    »Nein. Die Wahrheit ist, dass er nicht mehr zu Bewusstsein gekommen ist. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe zu tun.«
    »Bitte«, sagte Hunkeler und fasste den Arzt beim Arm, eine Geste, die ihm auffiel, weil er sie selber nicht erwartet hatte, »ich möchte seinen Leichnam sehen.«
    »Seinen Leichnam? Warum das? Glauben Sie mir nicht?«
    »Doch«, sagte Hunkeler, und er merkte, wie er plötzlich verlegen wurde, »ich möchte mich von ihm verabschieden.«
    »Sie sind doch Polizist.« Die Augen des Arztes wurden noch kühler. »Was soll denn das?«
    Hunkeler sagte leise: »Sentimentalität.«
    »Wer’s glaubt, wird selig«, sagte Dr. Neuenschwander. »Wenn Sie es unbedingt wünschen, bitte sehr. Warten Sie hier. Schwester Pfeifer kommt Sie holen.«
    Er verschwand grußlos hinter einer Milchglastür. Der Mann hinter dem Schalter grinste. Dann tauchte eine ältere Dame auf, mit energischen Augen.
    »Kommissär Hunkeler?«
    »Ja.«
    »Kommen Sie mit.«
    Sie fuhren mit dem Lift in den vierten Stock hinunter, gingen durch einen Gang, betraten einen Raum, in dessen Mitte ein Tisch stand. Darauf lag etwas, was mit einem Tuch bedeckt war. Es war plötzlich empfindlich kalt hier unten, Hunkeler fröstelte. Schwester Pfeifer trat an den Tisch, hob wortlos das Tuch hoch, und er sah den Kopf des toten Freddy Lerch. Augen geschlossen, ohne Brille, die Wangen eingefallen, der Mund ein schmaler Strich, wie geschrumpft, offenbar hatte ihm jemand die künstlichen Zähne herausgenommen. Auf dem Kinn Bartstoppeln, ein Zweitagebart. Die Stirn weiß, bläulich angelaufen, die Leberflecken waren genau zu erkennen. So sah der Tod aus (Seine Majestät, dachte Hunkeler), der sich einen alten Mann geholt
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