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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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eine Anklage. Sie werden einen guten Anwalt brauchen, Geuther, und Ihre Kameraden auch. Ich hoffe, Ihre Organisation kann sich das leisten.»
    Laura machte dem Wachposten ein Zeichen. Der rief einen Kollegen, und zu zweit führten sie Geuther ab. Als sie beinahe die Tür erreicht hatten, drehte sich Michael Geuther halb zu Laura um und spuckte auf den Boden.
    «Warten Sie, mir ist noch etwas Wichtiges eingefallen!», rief Laura. «Was Sie nicht wissen konnten, Herr Geuther: Mit Ihrer Tat haben Sie eine Jüdin gerettet. Sicher etwas, das nicht in Ihrer Absicht stand, aber ich danke Ihnen dafür.»
    Zum ersten Mal hob er den Kopf und sah Laura an. Verwirrung lag in seinem Blick.
    «Ich glaube, Sie ticken nicht ganz richtig!», murmelte er, ehe die beiden Polizeibeamten ihn hinausschoben.
     
    Zu Baumann und Claudia hatten sich inzwischen auch der Staatsanwalt und Kriminaloberrat Becker gesellt. Als Laura endlich die Sauna des Vernehmungsraums verlassen konnte, trank sie einen halben Liter Mineralwasser und stellte sich vor einen großen Ventilator.
    «Ich wusste überhaupt nicht, dass du so viel reden kannst!», sagte Baumann. «Dabei kenne ich dich schon seit Jahren. Wie machst du das? Stellst dich total blöd und plätscherst im freundlichsten Konversationston vor dich hin.»
    «Ich kann den Typ nicht leiden!» Sie befeuchtete ein Taschentuch und kühlte ihr Gesicht. «Ich habe gehofft, dass er einen Hitzschlag kriegt, dass er sich in die Hosen macht. Aber er ist eiskalt. Trotzdem haben wir ihn, und mehr kann man nicht verlangen.»
    «Ich hätte nicht gedacht, dass der Fall Dobler eine so überraschende Wendung nehmen würde.» Beckers Stimme klang rau.
    «Ich auch nicht», pflichtete der Staatsanwalt bei. «Ich wollte spätestens nächste Woche den Fall ad acta legen. Gute Arbeit, Frau Gottberg.»
    «Danke.» Und sie dachte, dass diejenige, die sich diesen Mord ausgedacht hatte, im Verborgenen bleiben würde. Es gab Zeugen genug für ihre Aussage. Eine so alte Frau würde man sicher in Ruhe lassen.

AN DIESEM ABEND führten Laura und Guerrini den alten Gottberg zum Essen aus. In sein italienisches Lieblingslokal in der Osterwaldstraße. Sie setzten sich unter die Kastanienbäume in den Garten und bestellten einen großen Vorspeisenteller, Weißwein und Wasser. Emilio Gottberg war begeistert von Guerrinis Anwesenheit.
    «Er hat heute Nachmittag den Luca Toni gegeben!», sagte Laura und prostete ihrem Vater zu.
    «Wie, den Luca Toni?»
    «Na, Angelo hat ein Tor geschossen. Er hat Michael Geuther daran gehindert zu fliehen. Baumann meinte, es sei peinlich.»
    «Das hast du mir gar nicht erzählt!» Guerrini schüttelte den Kopf.
    «Nein, ich habe es nicht übersetzt, weil ich verhindern wollte, dass du eingebildet wirst.»
    «Also, jetzt erzählt bitte der Reihe nach, sonst kann ich nicht folgen. Bei dieser Hitze funktioniert mein Kopf nicht so gut wie sonst.»
    Laura und Guerrini berichteten abwechselnd, und der alte Doktor Gottberg machte große Augen.
    «Na, das ist ja eine Geschichte!», murmelte er, als sie schwiegen. Er rieb sich die Stirn und schüttelte den Kopf. Dann hob er seinen Zeigefinger. «Kluge Frau, diese Anna Neugebauer! Wenn auch nicht ganz im Rahmen der Legalität! Beinahe eine griechische Tragödie. Aber ich habe auch eine Geschichte für euch, eine unglaubliche. Ich wollte sie Laura schon vor einer Woche vorlesen, aber sie hatte keine Zeit für die wesentlichen Dinge des Lebens!» Er lächelte fein, trank einen Schluck, zog dann einen zerknitterten Zeitungsausschnitt hervor, setzte seine Lesebrille auf und rückte ein bisschen näher an die Laterne heran.
    «Passt auf: Das Volk der Piresen ist ausnehmend diskret. Man kann sie weder sehen, hören, riechen noch ertasten. Sie haben keine Spuren in der Geschichte hinterlassen. Und auch im Netz kann man nicht mit ihnen … was?» Er räusperte sich und hielt Laura das Papier hin.
    «Und auch im Netz kann man nicht mit ihnen chatten.»
    «Ach so. Als ob sie gar nicht da wären. Trotzdem zweifelte keiner der Befragten des ungarischen Meinungsforschungsinstituts Tarki an ihrer Existenz. 68 Prozent sprachen sich gegen die Einwanderung der Piresen nach Ungarn aus, ebenso wie gegen den Zuzug von Arabern, Chinesen, Russen und Rumänen. Zwischen der ersten Umfrage im Juni 2006 und der zweiten im Februar 2007 wuchs der Abscheu vor den Piresen um weitere neun Prozent.
    Die Witzbolde von Tarki hatten dieses Volk schlicht erfunden. Die Nation musste in den
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