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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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lebt, aber es geht ihm schlecht. Schädelbasisbruch, Nierenquetschung, Rippenbrüche, Bruch des rechten Arms, um nur das Wichtigste aufzuzählen. Sein Zustand ist instabil, Prognosen können wir noch nicht abgeben. Wer ist der Mann?»
    «Er heißt Ralf, mehr weiß ich auch nicht.»
    «Schlägerei unter Pennern? So was sehen wir hier öfter.»
    «Woraus schließen Sie, dass er ein Penner ist?»
    «Nun, unvollständiges Gebiss, leichte Verwahrlosung, schmutzige Kleidung. Ach, was ich vergessen habe: Er leidet außerdem an einer Lungenentzündung und hat hohes Fieber. Wir hatten schon den Verdacht, dass er Tbc haben könnte. Das kommt bei Pennern ziemlich oft vor.» All das sagte er in einem bedauernden und gleichzeitig abgeklärten Tonfall, der Laura erstaunte.
    «Sie müssen verzeihen», murmelte der Arzt. «Ich hatte Nachtdienst, und es war nicht leicht, diesen Ralf am Leben zu erhalten. Er hat ein ganzes Team auf Trab gehalten.»
    «Es war keine Schlägerei unter Pennern. Er wurde vermutlich von Neonazis überfallen.»
    «Wow.»
    «Kann ich ihn sehen?»
    «Wir haben ihn in ein künstliches Koma versetzt. Er ist also nicht ansprechbar. Wäre er aber sowieso nicht.»
    «Ich möchte ihn trotzdem sehen.»
    Der Arzt zuckte die Achseln und sah fragend zu Guerrini. Der schüttelte den Kopf.
    «Aspetto fuori», sagte er und nickte Laura ermutigend zu.
    Sie bekam einen Mantel und Plastikhüllen für ihre Schuhe und musste sich die Hände desinfizieren. Dann führte der Arzt sie in einen dieser grellen Räume voller Maschinen, Monitore und Schläuche, die ihr stets Angst machten.
    Ralf lag da wie eine bandagierte Puppe, Arme und Beine abgespreizt, verkabelt und mit einer Maske über Mund und Nase, nackt bis auf die Verbände und eine große Windel. Laura wollte ihn berühren, wusste nicht wo, sah dann aber ein Stück Bein, das nicht verbunden war, und legte behutsam ihre Hand darauf. Zuckte die Haut? Es war eher ihre eigene Hand, die zuckte. Seine Haut glühte.
    «Tun Sie was gegen das Fieber?», flüsterte sie dem Arzt zu, der die Geräte kontrollierte. «Er fühlt sich an, als würde er brennen.»
    «Natürlich tun wir etwas dagegen. Aber die Mittel müssen erst mal wirken. Er ist ja erst seit ein paar Stunden hier.»
    Vorsichtig strich Laura ein paarmal über die heiße Haut und zog sich dann langsam zurück. Der Arzt folgte ihr.
    «Kannten Sie ihn?» Er wirkte erstaunt.
    «Ja, wir haben ein paarmal miteinander Kaffee getrunken und uns gegenseitig ein blaues Auge geschlagen.»
    Der junge Arzt hob die Brauen und musterte sie.
    «Dieses blaue Auge?», fragte er und deutete auf ihr Gesicht.
    «Genau dieses.»
    «Unangenehmer Bursche?»
    «Nein, im Gegenteil, er ist sehr nett. Bitte tun Sie alles, um ihn durchzubringen. Er ist eine echte Persönlichkeit. Er hat sogar ein kleines Unternehmen, verkauft Isarsteine. Ich danke Ihnen für alles, was Sie für ihn tun. Und würden Sie mich bitte anrufen, wenn Sie ihn aufwecken? Er leidet nämlich unter Platzangst.»
    Der Arzt warf ihr einen Blick zu, als zweifle er an ihrem Verstand, Laura jedoch lächelte ihn freundlich an, drückte ihm ihre Karte in die Hand und ging.
    Erst draußen auf dem Flur vor der Station entluden sich ihre Gefühle.
    «Sie wollten ihn umbringen, genau wie die beiden anderen. Sie sind nichts als gemeine, primitive Mörder! Menschen sind gefährlich, Angelo! Manchmal habe ich Schwierigkeiten damit, ein Mensch zu sein. Wir lernen nichts. Wir machen immer und immer wieder den gleichen Mist. Ich werde sie kriegen, diese Verrückten, und dann? Was habe ich damit erreicht? Übermorgen schlagen sie wieder einen Schwarzen zusammen, der nachts allein nach Hause geht, oder sie jagen ein paar Inder durch die Straßen.»
    Guerrini legte seinen Arm um ihre Schultern. Sie ging sehr schnell, aber er hielt Schritt mit ihr.
    «Und alle Erklärungen überzeugen mich nicht! Es gibt Menschen, die unter schrecklichen Umständen aufwachsen und trotzdem keine Schwächeren quälen!»
    «Scht, nicht so laut. Du erschreckst die Kranken, Laura.»
    «Siehst du, man kann nirgends schreien. Man muss alles in sich hineinstopfen und gefasst und vernünftig sein. Kein Wunder, dass so viele Leute durchdrehen!»
    Guerrini schob sie durch den Ausgang.
    «Jetzt schrei!»
    «Das geht nicht auf Befehl! Vorhin hätte ich schreien können. Jetzt muss ich nachdenken. Ich brauche eine Strategie, wie ich sie alle gleichzeitig kriege.»
    «Darf ich mit dir denken?»
    «Ich bitte darum.»
    «Lass uns
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